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Schweig still, mein Kind / Kriminalroman

Schweig still, mein Kind / Kriminalroman

Titel: Schweig still, mein Kind / Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Busch
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schüttelte den Kopf und stand auf. »Wie haben Sie es gemacht, Bruno?«
    Der Autist rührte sich nicht.
    »Wie?«, fuhr er ihn an.
    »Vergiss die Befragung«, sagte Larsson. »Er redet nicht mit dir.«
    »Ach, das weißt du so genau?« Seine Wangen wurden heiß.
    Larsson lächelte. »Ja. Und das hat nichts mit meiner«, er schürzte die Lippen, »Überheblichkeit zu tun. Es ist eine Frage der Prämissen.«
    »Erklärst du sie uns?«, fragte Freitag gelassen.
    Ehrlinspiel nieste.
    Larsson verschränkte die Arme. »Autismus. Entwicklungsneurologische Störung. Veränderungen im limbischen System. Defizite in der Sinneswahrnehmung, Aufmerksamkeit, Motorik, Sprachentwicklung. Du erinnerst dich, Moritz? Drei Sätze?«
    Ehrlinspiel sah die fette Spinne vor sich, die er während des Telefonates im Abfluss versenkt hatte. Er nickte.
    Felber verabschiedete sich.
    Die Blicke, die sie dabei wechselten, und Ehrlinspiels drei erhobene Finger waren ein klares Zeichen: Sie würden sich später im Dorf sehen. Drei Mann zur Durchsuchung des Sommerhofes.
    »Die
Theory of Mind
sagt euch sicher nichts«, dozierte Larsson. »Sie begründet, dass Autisten mentale Zustände nicht nachempfinden können. Gefühle und Gedanken anderer – Fehlanzeige. Die Knaben können auch nicht lügen oder andere täuschen. Ihnen fehlt die sogenannte Theorie der psychischen Welt.«
    Ehrlinspiel behielt Bruno im Blick. Der stand teilnahmslos an der Wand. »Umso besser«, sagte er zu ihm. »Dann können Sie ja unsere Fragen geradeheraus beantworten.«
    »Defizite in der Sprachentwicklung, Moritz!«
    »Ja, ich weiß. Echolalie.«
    »Entscheidend aber ist«, Larsson legte den Zeigefinger an den Mundwinkel, »dass Autisten Sprache nicht als Kommunikationsform begreifen. Sie äußern sich zwar. Aber nicht, weil sie sich mit dir austauschen wollen, sondern weil sie Sicherheit brauchen, Rituale. Also brabbeln sie immer dasselbe vor sich hin. Stereotyp.« Er ließ seinen Blick über die Polizisten gleiten. »Ihr wisst, dass eine Vernehmung voraussetzt, dass der Beschuldigte Fragen verstehen und sinnvoll darauf antworten können muss?«
    »Wir werden einen Facharzt hinzuziehen«, lächelte Ehrlinspiel, »wenn wir eine Beurteilung seines Gesundheitszustands für nötig halten. Ganz nach Vorschrift.«
    Larsson lächelte süffisant. »Danke für dieses Paradebeispiel übertragener Bedeutung, Moritz. Die nämlich – um dich vollends aufzuklären – verstehen Autisten gar nicht. Kohärenzschwäche. Ursache und Wirkung verknüpfen – nichts. Ein schwarzes Schaf ist ein schwarzes Schaf. Vier Beine, schwarze Wolle. Fertig.«
    »Alnus glutinosa«, ratterte Bruno und starrte kurz zu Ehrlinspiel.
    Deschner und Freitag grinsten. Larsson zog die Stirn kraus.
    »Schwarz-Erle«, erklärte Deschner dem Rechtsmediziner.
    »Interessant«, erwiderte Larsson amüsiert. »Schwarzes Schaf – schwarze Erle. Auch ein typisches Phänomen: Ein Autist nimmt ein gehörtes Wort, in unserem Fall ›schwarz‹, und überträgt es in einen anderen Zusammenhang. Dass eine neue Bedeutung dabei herauskommt, ist ihm nicht klar.«
    »Danke für die Blumen«, sagte der Hauptkommissar und verspürte plötzlich das Bedürfnis, ihm ein »arroganter Fatzke!« an den Kopf zu schleudern.
    »Mandragora«, sagte Bruno, und sein Blick ging zu Larsson.
    Deschner drehte sich zum Fenster. Er lacht, dachte Ehrlinspiel, und Larsson wird gleich grantig.
    »Was heißt das, Herr Oberbiologe?«, fragte der Rechtsmediziner Deschner.
    »Das ist die Alraune. Eine giftige Wurzel mit strengem Geruch«, antwortete Deschner und hatte sichtlich Mühe, seine Gesichtszüge im Zaum zu halten. »Man sagt, die Alraune habe Menschengestalt, und benutzt sie daher seit der Antike als Zaubermittel.«
    Larsson schnaubte.
    Der Bruno, dachte Ehrlinspiel schmunzelnd. Von wegen Kohärenzschwäche und keine Zusammenhänge herstellen. Und Gregor Deschner wurde ihm mit jedem Satz noch sympathischer. »Was du alles weißt«, sagte er mit ehrlichem Respekt zu ihm.
    Larsson sah auf seine große Armbanduhr, die mit den vielen Knöpfen aussah, als könne man mit ihr ebenso Tiefseemessungen vornehmen wie einen Airbus steuern. »Meine Herren, ich habe seit vierunddreißig Stunden nicht geschlafen, und im Kühlfach warten – wie euch nicht entgangen sein dürfte – zwei Brandopfer und ein besoffener Möchtegern-Baggerseebezwinger auf mich. Wenn ihr also eure DNA -Ergebnisse wollt …« Er nickte und ging zur Tür.
    Bei dem

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