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Schweig still, mein Kind / Kriminalroman

Schweig still, mein Kind / Kriminalroman

Titel: Schweig still, mein Kind / Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Busch
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Der zuckte mit den Schultern.
    »En ha zwei, ce ha zwei, fünf, en ha zwei.« Bruno hob die Arme.
    Da war sie wieder. Diese flüchtige Erinnerung. Die Formeln, die Bruno schon in der Küche aufgesagt hatte. Ehrlinspiels Blick begegnete für eine Sekunde dem des Autisten, der seine langen Wimpern sofort wieder niederschlug.
    »Al nus glu ti no sa«, ratterte Bruno.
    Pfleger, dachte Ehrlinspiel. Oder Psychiater. Wir werden nicht darum herumkommen. Er blickte zu Gregor Deschner. »Schwarz-Erle«, erklärte dieser mit verkniffenem Schmunzeln und blickte konzentriert auf seine Schuhspitzen.
    Freitag biss sich auf die Lippen, seine Augen aber blitzten amüsiert.
    »Haha«, sagte Ehrlinspiel tonlos, während er gedankenverloren auf das Bild mit den Hase-Katze-Hund-Klecksen sah. Die Formel … Die Lösung schwirrte vor ihm wie ein Büschel feiner Katzenhaare, das bei jedem Versuch, es zu greifen, durch den Luftzug um eine Armlänge davontrieb. Dann sah er auf. »Ist Larsson noch im Haus?«
    Freitag telefonierte. »Pech gehabt. Er kommt rüber.«
     
    Zehn Minuten später sprach Ehrlinspiel die weiteren Anwesenden auf das Tonband: »Professor Doktor Reinhard Larsson, Institut für Rechtsmedizin der Universität Freiburg sowie Erster Kriminalhauptkommissar Lukas Felber, Leiter des Dezernats 42 für Kriminaltechnik.«
    »Sie ist es«, sagte Felber und legte einen durchsichtigen Plastikbeutel auf den Tisch.
    Felber war an beiden Leichenfundorten gewesen, galt als durch und durch professionell, akribisch und feinfühlig. Dritten gegenüber beschrieb Ehrlinspiel ihn als »Harte-Schale-weicher-Kern-Typ«. Als einen, der einem einfach ans Herz wachsen musste. Felbers Frau war seit einigen Wochen allerdings anderer Ansicht.
    Neben Felber stand Larsson, die Arme auf dem Rücken, und tippte mit einem Fuß gleichmäßig auf den Boden. Bruno war seit dem Eintreten der Männer verstummt.
    »Kein Zweifel?«, fragte Ehrlinspiel und versuchte, seine Halsschmerzen wegzuschlucken.
    »Keiner. Das Baby der Toten wurde mit dieser Geflügelschere aus dem Bauch geschnitten.« Auffordernd sah er zu Bruno.
    Freitag verzog angeekelt das Gesicht.
    »Fingerabdrücke? DNA -Spuren?«
    »Ausschließlich Abdrücke des Beschuldigten.«
    Ehrlinspiel ließ die Schultern sinken. Hähnchen und Bratkartoffeln. Er stellte sich vor, wie die Vogelscheuche und die einäugige Bertha an dem verkrümelten, klebrigen Tisch gesessen und gemeinsam das gebrutzelte Tier zerlegt hatten. Wie Bruno dabei in Formeln und die Alte mit dem toten Egon gequasselt hatte. Wie sie schnarchend weggedöst war. Und wie Bruno …
    Der Hauptkommissar musterte den Verdächtigen. In dem grünen Outfit konnte er ihn sich als Chirurgen vorstellen, in eine Bauchoperation vertieft. Er ist Wissenschaftler, hatte seine Mutter gesagt. Grotesk.
    Doch was sollte er für ein Motiv haben? War es seine Krankheit? War er Helfer eines Dritten? Sinas?
    »Das Fleisch«, Ehrlinspiel wandte sich an Larsson, »ist es das Baby?« Die Formel, dachte er, du wolltest Larsson nach der Formel fragen.
    »Ich bin kein Transrapid, Moritz. Und je länger ich hier aufgehalten werde –«
    »Wann bist du so weit?«
    »Moritz.« Larsson schob langsam seine Brille hoch. »Die Amplifizierung und Analyse der nicht-kodierenden humangenomischen DNA mittels STR -Systemen und STRIPS  –«
    »Morgen?« Warum muss ausgerechnet ich mit dem einzigen Rechtsmediziner Deutschlands arbeiten, fragte Ehrlinspiel sich, der sein Wissen in Fachtermini zum Besten gibt? Jeder andere Obduzent drückte sich verständlicher aus als Ehrlinspiels Hausarzt.
    »Mittwoch. Frühestens.«
    Mist, dachte Ehrlinspiel. Er hätte gern Gewissheit gehabt.
    »Allerdings«, fiel Felber ein, »ist die Zerstückelung, wie soll ich sagen …«
    »Gulasch«, warf Larsson trocken ein.
    »So in etwa. Die Stücke sind ähnlich groß und enthalten Knochen. Wenn du das manuell machen willst, brauchst du ein scharfes kleines Beil und eine ruhige Hand. Die Bakterien haben die Ränder aber zu weit zersetzt, als dass wir über die Schnittstellen etwas sagen könnten. Dennoch: Ich weiß zwar nicht, wie das Fleisch zerstückelt wurde, aber normal ist das nicht.«
    »Auf jeden Fall ist es Menschengulasch«, sagte Larsson kühl.
    Ehrlinspiel bekam einen säuerlichen Geschmack im Mund. Die Phantasiebilder drängten in sein Bewusstsein. Larsson in der Villa. Weiße Laken. Aufgeschlitzte Frauenkörper. »Das ist widerlich, Reinhard.«
    »Es ist die Realität.«
    Ehrlinspiel

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