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Schweig still, mein Kind / Kriminalroman

Schweig still, mein Kind / Kriminalroman

Titel: Schweig still, mein Kind / Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Busch
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fließend. Oder nimm Kim Peek, das Vorbild für den Film
Rainman
. Er ist eine lebende Festplatte. Scannt zwei Buchseiten parallel. Mit dem linken und dem rechten Auge. In acht Sekunden speichert er, was drinsteht. Er kennt den Inhalt von 12 000 Büchern auswendig. Nenne ihm eine beliebige Stadt in den USA  – er sagt dir ohne Zögern die dazugehörige Postleitzahl, Telefonvorwahl und den Highway.«
    »Worauf willst du hinaus?«
    »Die Reihe ließe sich noch um einige Namen fortsetzen. Besondere Namen. Savants sind selten. Einer von ihnen«, er sah zu Bruno, »steht vor dir. Ein Genius in Chemie und wohl auch Biologie. Vermutlich speichert auch er Buchinhalte wie eine Kamera Bilder und kann die jederzeit eins zu eins abrufen. Er reagiert exakt richtig auf meine Stichworte.« Mit einem Strahlen drehte Larsson sich zu Ehrlinspiel um. »Er versteht mich. Ich könnte wetten, dass
er
sich hervorragend mit der DNA -Analyse auskennt.«
    Während du uns Polizisten alles wie Sonderschul-Erstklässlern erklären musst, dachte Ehrlinspiel. Brunos Bücher fielen ihm ein. Die Bibliothek, von der der Wirt und Frieda Sommer gesprochen hatten. »Wie machen Savants das?«
    Bruno schlang die Arme um seinen Oberkörper. Feste Muskeln zeichneten sich unter den Ärmeln ab.
    Er hatte Kraft. Enorme Kraft.
    »Ihr Gehirn funktioniert anders. Denke an den Gyrus forsiformis und den Gyrus temporalis, das Betrachten von Gesichtern wie einen Gegenstand.«
    Ehrlinspiel dachte an die Spinne.
    »Betrachten wir zunächst den neurobiologischen Ansatz und die biochemischen Befunde. Die diffuse Erhöhung des Serotonin-Plasmaspiegels –«
    »Danke, Reinhard, so genau muss es nicht sein.«
    Larsson ließ die Arme sinken. »Dann mach weiter. Aber er wird nichts aussagen können. Und pass auf, dass du ihm nicht weh tust.«
    »Wie bitte?«
    »Die gestörte Gehirnentwicklung bedingt ein synästhetisches Wahrnehmen bei Autisten. Stichwort Außenreize. Ein Sehreiz kann sich auf das Hören auswirken. Ein grelles Licht, und sie empfinden das etwa als Klingeln im Ohr. Ein Geräusch, und sie sehen Farben. Die Türglocke ist grellgelb, der Automotor tiefrot oder blau, oder was weiß ich. Töne können eine Form haben oder gefühlt werden. Rund, eckig, weich, hart. Außerdem sind ihre Sinne meist über- oder unterempfindlich. Wenn du flüsterst, fliegen manchen Autisten die Ohren weg. Andere kannst du neben einen Presslufthammer stellen, und nichts passiert.«
    Bruno rollte sich wie eine Kugel hin und her.
    Ehrlinspiel überlegte, ob er in eine Traumszene geraten war und gleich dadurch geweckt werden würde, dass die Kater wie jeden Morgen schwungvoll auf seinen Bauch sprangen und dort mit perfekt einstudierten Jammerlauten ihren Hunger kundtaten. Einen Mann wie Bruno Sommer hatte er noch nie erlebt. Und es war eines der seltenen Male, in denen Reinhard Larsson sich mitfühlend zeigte. Dennoch änderte das an Brunos Tat nichts, und er musste dessen mögliche Verstrickung in den Tod Elisabeths und Johannes’ klären. Bisher hatte er nur Indizien für den Diebstahl des toten Ungeborenen.
    Wieder war der Gedanke von vorhin da. Elisabeths Testament. Sinas Angst. Berthas Worte, dass Sina und Bruno … »Haben Sie Ihrer Freundin Sina beim Morden geholfen?« Es war ein Schuss ins Blaue. Vielleicht …? Doch die Vogelscheuche schaukelte unverdrossen weiter. Keinerlei verräterische Reaktion.
    Larsson verdrehte die Augen.
    »O Si na, o si ri a, o Si na«, flüsterte Bruno.
    »Reine Echolalie«, sagte Larsson und hob gleichgültig die Schultern.
    Ehrlinspiel warf ihm einen bösen Blick zu. »Sie mögen Sina, Bruno?« Es war eine rhetorische Frage.
    »O si na, o si ri a.«
    »Weiß einer, was ›osiria‹ heißt?«, fragte er in die Runde.
    Deschner nickte. »Könnte eine Rosensorte sein. Es gibt eine Rosa Osiria.« Er erklärte, wie die Sorte aussah.
    Er selbst eine Schwarz-Erle. Larsson eine Alraune. Sina eine Rose. Kreativität musste man Bruno zugestehen.
    »Ein Pflänzelein, mein Kindchen fein, O Si na, o si ri a, hm, hm … das pflanzen wir im Garten ein, hm …«
    Katzen schnurren. Bruno summt. »Wollen Sie Ihre Angst besiegen?«
    »Autisten haben keine Angst, Moritz. Sie realisieren Bedrohungen nicht. Er singt nur einen Kinderreim.
365
Gutenachtgedichte
«, sagte der Rechtsmediziner.
    »Gutenachtgedichte?«
    »Ein Kinderbuch.«
    Moritz öffnete den Mund, schloss ihn sofort wieder. Larsson und ein Kinderbuch? Der würde doch eine Kindergeschichte nicht mal

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