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Schweig still, mein Kind / Kriminalroman

Schweig still, mein Kind / Kriminalroman

Titel: Schweig still, mein Kind / Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Busch
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missgünstig. Höherrangige Kollegen zu duzen lehnte Polizeihauptmeister Franz konsequent ab.
    Ehrlinspiel wartete.
    »Vorhin kam ein Anruf rein. Da müsste man sich drum kümmern.« Franz schob ihm einen Zettel über den Tisch.
    Ehrlinspiel sah Freitag grinsen. »Tatsächlich? Meinen Segen haben Sie.« Der Hauptkommissar überlegte, woher er eine heiße Nadel nehmen und Franz ins Bein jagen konnte, damit der endlich auf Trab kam.
    »Der Anrufer ist ein gewisser Meierfeld«, fuhr Franz rasch fort. »Er hat eine Firma irgendwo bei Ihrem Morddorf. Stellt Gase her für Labors und die Lebensmittelbranche.«
    »Und was wollte er?« Ehrlinspiel wippte auf seinem Bürostuhl vor und zurück.
    »Ein Einbruch. Jemand hat flüssigen Stickstoff abgezapft. Wir sollen jemanden hinschicken.«
    »Herr Franz«, Ehrlinspiel hörte auf zu wippen, schob ihm den Zettel wieder zurück und lächelte betont sarkastisch, »dafür ist das Dezernat 11 nicht zuständig. Oder ist das vielleicht ein Kapitalverbrechen?«
    »N…Nein. Aber Sie sind doch vor Ort und –«
    »Der Typ soll sich beim örtlichen Polizeiposten melden. Und wo Sie uns schon einen Besuch abstatten, Herr Kollege«, er nahm die Plastiktüte, die er in Bertha Webers Küche bestückt hatte, »bringen Sie das doch bitte in die Technik rüber. Mit einem Gruß von Kriminalhauptkommissar Ehrlinspiel aus dem Morddorf.« Er zog den Mundwinkel extra weit hoch.
    Franz nahm die Tüte und ging grußlos.
    Freitag lachte. »So wird er dich nie liebhaben.«
    »Ich werde nächtelang ins Kissen weinen«, erwiderte Ehrlinspiel und rief den Dienstgruppenleiter des Reviers Süd an, der den Zellentrakt unter sich hatte.
     
    Bruno drückte sich flach an die Wand und schlug die Augen nieder, so wie er es bei ihrer ersten Begegnung in der Küche des Sommerhofs getan hatte. Er steckte in einem grünen Trainingsanzug – eines der ausrangierten Stücke von Polizeiangehörigen, das für Gefangene parat gehalten wurde, die ihre Kleidung der Kriminaltechnik überlassen mussten.
    Seine Stirn wies Schürfwunden auf, und die Lippe war aufgeplatzt.
    Neben Bruno hing ein Bild mit grünen Kritzelstrichen am unteren Rand, darin saßen zwei braune Kleckse, die genauso gut Hasen wie Katzen oder Hunde darstellen konnten. Ein gelber Kreis füllte ein Viertel des Blatts, eine Sonne, und ihre Strahlen schienen Brunos Kopf berühren zu wollen. Freitags Dunkelhaarige, Jule, hatte es Moritz zum Geburtstag gemalt und persönlich in die Polizeidirektion gebracht. Gratuliert hatte sie ihm nicht, dafür Freitag mit ernster Miene erklärt, dass sie auch solche Schmusetiere wolle. »So welche, wie der Moritz sie hat.« Und dass der Papa jetzt jeden Tag daran denken müsse, weil das Bild dahin geklebt wird – bei diesem Satz hatte sie mit einem verschmierten Zeigefinger auf den Platz an der Wand gedeutet – und da hängen bleibt, bis sie zwei Katzen hat.
    Bei Bruno stand ein uniformierter Polizist. Ehrlinspiel schaltete das Tonbandgerät ein, sprach Wochentag und Datum darauf und fuhr fort: »Elf Uhr zwanzig. Vernehmung Bruno Sommer, geboren am 10. Juni 1983, in den Mordsachen Johannes Beyer und Elisabeth Kühn. Anwesend sind Kriminalhauptkommissar Moritz Ehrlinspiel, Kriminalkommissar Paul Freitag und Polizeihauptmeister Gregor Deschner. Der Beschuldigte lehnt Getränke und Essen ab und möchte sich nicht setzen.«
    Ob Bruno je ein Bild gemalt hatte? Ob er verstehen würde, was Paragraf 136 der Strafprozessordnung vorschrieb? Seine Pflichtbelehrung?
    »Herr Sommer«, begann Ehrlinspiel und bemühte sich, jegliches Amtsdeutsch zu vermeiden, »Sie sind hier wegen des Verdachts auf Mord an Johannes Beyer. Sie sind außerdem verdächtig, Ihre Schwester und deren ungeborenes Baby getötet zu haben.«
    Bruno reagierte nicht.
    »Sie dürfen gern etwas dazu sagen. Aber Sie müssen nicht. Sie können auch schweigen und zunächst mit einem Anwalt sprechen.« Vergebens suchte er Brunos Blick. »Wollen Sie einen Verteidiger?«
    Bruno verharrte wie ein gejagtes Tier, das zum Schutz die Totenstarre vortäuscht.
    Er versteht mich nicht, dachte Ehrlinspiel. Genauso gut könnte ich Bentley und Bugatti aus Aristoteles’
Metaphysik
im griechischen Originaltext vorlesen. Wobei da wenigstens noch die Chance auf ein gelangweiltes Raunzen bestünde.
    »Wollen Sie sich nicht doch setzen, Bruno?« Ehrlinspiel deutete auf einen leeren Stuhl.
    Nichts. Auch der Versuch, ihn mit dem Vornamen anzusprechen – denn sicher würde in seinem

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