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Schweig um dein Leben

Schweig um dein Leben

Titel: Schweig um dein Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lois Duncan
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Beerdigung konnten, versuchten wir, nicht daran zu denken. Der Tag zog vorüber, ein grauer regnerischer Tag, und ich wusste, dass Jims Hände wieder geschmerzt hätten, wenn er noch bei uns gewesen wäre. Wir verbrachten den Tag, wie jeden anderen auch, hinter geschlossenen Vorhängen, lesend, fernsehend, während draußen der immer stärker werdende Regen niederprasselte – gegen die Fenster, auf das Dach, den Parkplatz und, soweit wir wussten, auf Jim Petersons Grab in Norwood.
    Max hatte Jim nicht durch einen anderen Bodyguard ersetzen lassen und uns auch nicht strengstens verboten, unser Motelzimmer zu verlassen. Allerdings hatte er uns geraten, uns nur so selten wie möglich nach draußen zu begeben, sodass wir unsere Ausflüge auf Orte wie um die Ecke gelegene Cafés und Pizzerias beschränkten.
    Am dritten Abend kündigte Max uns für den nächsten Tag den Besuch einer Mitarbeiterin des Justizministeriums an. Rita Green, eine Frau in einem maßgeschneiderten Kostüm und mit scharfen Gesichtszügen, klopfte nachmittags an unsere Tür. Sie nahm in einem Sessel im Wohnbereich unseres Motelzimmers Platz und musterte uns so eingehend, als wären wir bei einem Casting für eine wichtige Filmrolle.
    »Ich bin hier, um Ihren Umfeldwechsel mit Ihnen zu besprechen«, begann sie schließlich. »Ich nehme an, dass Max Ihnen das Prozedere bereits erklärt hat.«
    »Eigentlich wissen wir noch nicht besonders viel darüber«, sagte Dad. »Wir wären Ihnen also dankbar, wenn Sie uns so umfassend wie möglich darüber aufklären könnten.«
    »Natürlich«, antwortete Rita Green und schlug die Beine übereinander. »Der erste Schritt wird sein, Ihnen eine neue Identität zu verschaffen, Mr Corrigan. Dazu suchen wir die Geburtsregister nach einem Kind ab, das ungefähr im selben Jahr geboren wurde wie Sie, jedoch kurz nach der Geburt verstarb, und beantragen eine Kopie der Geburtsurkunde. Da Geburts- und Sterberegister in der Regel keine Querverweise enthalten, gibt es so gut wie nie Probleme damit, eine Zweitschrift zu bekommen.«
    »Was ist mit dem Rest der Familie?«, fragte Dad. »Sie müssen doch denselben Nachnamen haben wie ich.«
    »Da der Mädchenname Ihrer Frau keine Rolle spielt, besorgen wir ihre Geburtsurkunde auf demselben Weg wie Ihre. Anschließend können wir eine Heiratsurkunde aufsetzen, die Ihren neuen Namen trägt, und in einem Meldeamt hinterlegen. Im Falle Ihrer Kinder müssen wir die Geburtsurkunden natürlich fälschen, damit sie denselben Nachnamen wie Sie und Ihre Frau tragen. Sobald Sie Ihre Geburtsurkunden haben, stellen wir Ihnen außerdem neue Pässe aus. Im Anschluss daran können Sie alle weiteren erforderlichen Ausweisdokumente beantragen, wie zum Beispiel die Wählerregistrierung unter Ihrer neuen Identität oder den Führerschein.«
    »Was ist mit der Anmeldung der Kinder in einer neuen Schule?«, fragte Mom. »Werden Sie dafür nicht alte Zeugnisse und Impfpässe benötigen?«
    »Sie werden genauso wie die Heiratsurkunde erstellt und direkt an die neuen Schulen Ihrer Kinder geschickt, und zwar mit dem Absender einer kleinen Privatschule in Vermont, in der wir Leute von uns sitzen haben. Sie hat mehr ›ehemalige Schüler‹ als jede andere Schule im Land.«
    »Heißt das, dass unsere Noten nicht mehr zählen?«, fragte Bram hoffnungsvoll. »Dass alle meine Vieren in Einsen umgewandelt werden können?«
    »Genau das versuchen wir zu vermeiden«, sagte Rita. »Die Zeugnisse sollten zeigen, wie gut oder schlecht du tatsächlich in der Schule bist. Wenn deine Schwester zum Beispiel Probleme in Mathe hat, wir ihr aber ein geschöntes Zeugnis ausstellen, auf dem sie nur Bestnoten hat, würde das an der neuen Schule mit Sicherheit irgendwann auffallen, und es könnten unangenehme Fragen gestellt werden. Je weniger Aufmerksamkeit Sie alle auf sich ziehen, umso besser ist es. Vermeiden Sie alles, was Sie in irgendeiner Weise verdächtig machen könnte.«
    »Wohin werden Sie uns schicken?«, fragte Dad.
    »Darüber wurde noch nicht entschieden«, antwortete Rita. »Genau genommen ist das auch der eigentliche Grund meines Besuchs. Wir möchten Sie an einen Ort umsiedeln, von dem wir so sicher wie möglich sein können, dass Sie dort niemandem aus Ihrem früheren Leben begegnen. Deswegen brauche ich noch ein paar konkretere Informationen zu Ihrer Vorgeschichte.«
    »Ich bin in Pittsburgh geboren und aufgewachsen«, sagte Dad. »Die einzigen Angehörigen, die ich dort noch habe, sind eine Tante und ein

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