Schweig um dein Leben
können wir uns unsere Namen nicht selbst aussuchen?«
»Namen sind wirklich unsere letzte Sorge«, antwortete Rita leicht ungehalten. »Das Wichtigste ist jetzt, Sie so schnell wie möglich umzusiedeln, sonst können wir nicht mehr für Ihre Sicherheit garantieren.«
»Was ist passiert?«, fragte Dad alarmiert.
»Ihre Schwiegermutter hat einen Anruf erhalten. Der Mann stellte sich als der Lektor Ihrer Frau vor und erklärte, er müsse dringend mit ihr sprechen. Es ginge um die Filmrechte an einem ihrer Bücher.«
Mom bekam große Augen und zum ersten Mal seit Wochen strahlte sie übers ganze Gesicht. »Filmrechte? Aber das ist ja fantastisch. Hat er gesagt, um welches Buch es sich handelt und welches Filmstudio angefragt hat?«
Als Rita sie nur bedauernd ansah, erlosch Moms Lächeln, und sie seufzte enttäuscht. »Sie glauben nicht, dass der Anruf echt war, habe ich recht?«
»Wir wissen, dass er nicht echt war«, antwortete Rita. »Wir haben Ihren Verleger kontaktiert. Der Lektor, der angeblich versucht hat, Sie zu erreichen, ist zurzeit im Urlaub. Niemand im Verlag wusste etwas von einer solchen Anfrage.«
»Natürlich nicht«, sagte Mom leise. »Wenn sich wirklich jemand für die Filmrechte an einem meiner Bücher interessieren würde, dann würde er sich an meinen Agenten wenden und der an meinen Verleger, und keiner von beiden würde versuchen, mich über Lorelei zu erreichen. Ich glaube, sie wissen noch nicht einmal, wie meine Mutter heißt.«
»Ein Mann wie Vamp kennt alle Tricks«, sagte Rita.
»Mir gefällt das nicht.« Dad fuhr sich nervös durch die Haare. »Wie schnell können Sie uns von hier wegbringen?«
»Heute Abend geht es los«, antwortete Rita. »Wir haben alles vorbereitet. Ich habe Plätze für Sie in der Sechs-Uhr-Maschine nach Florida gebucht.«
»Florida!«, rief Dad. »Wieso ausgerechnet Florida? Dieser Bundesstaat hat den florierendsten Drogenhandel im ganzen Land.«
»Das wird Vamp ebenfalls klar sein«, entgegnete Rita. »Und genau das ist unser Vorteil. Er wird nämlich mit ziemlicher Sicherheit davon ausgehen, dass das der letzte Ort ist, an den wir Sie schicken. Sie landen in Sarasota Bradenton Airport, aber Ihr endgültiges Ziel, Grove City, liegt achtzig Kilometer weiter östlich. Die Buchung wurde unter Ihrem neuen Namen vorgenommen, und Sie werden jeweils zu zweit reisen, sodass Ihre Spur nicht zurückverfolgt werden kann.«
Bis hierhin schien unser Leben in einer Warteschleife gesteckt zu haben – wie bei einer defekten Filmrolle, wenn die Szene auf der Leinwand plötzlich einfriert. Aber von jetzt auf gleich lief der Film in dreifacher Geschwindigkeit weiter und die Darsteller zuckten in irrwitzig schnellen Bewegungen über die Leinwand. So ähnlich mussten wir zumindest ausgesehen haben, als wir in den darauffolgenden zehn Minuten hektisch hin und her liefen, unsere Sachen einsammelten und wahllos in unsere Taschen und Koffer warfen.
»Einen Moment noch«, sagte Rita, als wir fertig waren und schon in Richtung Tür eilten. »Wir müssen etwas mit Valeries Haaren machen.«
Zuerst kapierte ich nicht, wen sie meinte. Eine Sekunde später zuckte ich erschrocken zusammen. Ich war Valerie.
»Warum? Was stimmt nicht mit meinen Haaren?«, fragte ich nervös.
»Sie sind viel zu auffällig. Die Farbe und die Länge lassen dich aus der Menge herausstechen. Wir müssen sie abschneiden, bevor wir von hier aufbrechen.«
»Nein!«, rief ich. »Es hat Jahre gedauert, bis sie so lang waren!« Instinktiv hielt ich schützend die Hände an meinen Kopf. »Meinetwegen setze ich eine Perücke auf oder eine Mütze oder ich binde mir ein Tuch um, aber ich werde sie mir auf gar keinen Fall abschneiden lassen!«
»Um sie unter einer Perücke zu verstecken, sind sie zu lang«, sagte Rita. »Und um diese Jahreszeit eine Mütze zu tragen, würde unnötig auffallen, zumal in Florida Temperaturen über dreißig Grad herrschen. Die meisten körperlichen Merkmale können nicht verändert werden, die Länge der Haare dagegen schon. Und in deinem Fall ist es besonders wichtig, dass wir sie abschneiden.«
»Mom!«, rief ich verzweifelt. »Du wirst doch nicht zulassen, dass sie das tut, oder?«
Aber noch während ich die Worte aussprach, wusste ich, dass es zwecklos war. Mom hatte sich noch nie viele Gedanken um ihr Aussehen gemacht und trug einen praktischen Kurzhaarschnitt, den Lorelei und ich schon immer schrecklich gefunden hatten.
Ein paar Minuten später stand ich im Badezimmer mit
Weitere Kostenlose Bücher