Schweig um dein Leben
der in irgendeiner Form eine Bedrohung für sie darstellt. Sie werden also weiter hinter mir her sein.«
»Aber warum?«, rief ich verzweifelt. »Weißt du denn wirklich so viel, dass du gegen sie aussagen könntest?«
Dad schüttelte den Kopf. »Nein, ich habe nie ihre Namen erfahren. Aber das wissen sie nicht, also stehe ich ganz oben auf ihrer Liste.«
Ich deutete auf die Dollarnoten auf dem Schreibtisch. »Wofür ist das? Warum gibst du mir so viel Geld?«
»Das ist das, was wir für deine Zimmereinrichtung bekommen haben«, sagte Dad. »Unser ganzer Besitz wurde verkauft. Zwar nur für den Bruchteil seines eigentlichen Werts, aber ich schätze, wir müssen dankbar sein, dass wir überhaupt etwas dafür bekommen. Ich bin mir sicher, dass Max alles dafür getan hat, um so viel wie möglich für uns rauszuholen. Aber weil die Grundstückspreise zurzeit so niedrig sind, haben wir auch beim Verkauf unseres Hauses einen ziemlichen Verlust hinnehmen müssen.«
»Unser Haus!«, rief ich. »Max hat einfach unser Haus verkauft? Wo sollen wir denn leben, wenn wir zurückkommen?«
»Wir werden improvisieren müssen«, sagte Dad. »Im Moment brauchen wir das Geld dringender als das Haus. Es ist ausgeschlossen, dass ich jemals in der Lage sein werde, mit dem Zip-Pic unseren Lebensunterhalt zu verdienen, und ich weiß nicht, wie lange das Programm noch für uns aufkommt.«
»Das hört sich ja so an, als würden wir für immer hier festsitzen!« Ich starrte meinen Vater entsetzt an und wartete vergeblich darauf, dass er mir widersprach. »Heißt das, dass wir nie mehr zurückgehen?«, fragte ich mit zitternder Stimme.
Dad hob bedauernd die Schultern. »Wie gesagt, wir werden improvisieren müssen.«
»Aber du hast mich die ganze Zeit in dem Glauben gelassen, dass wir bis Weihnachten wieder zu Hause sind!«
»Nein, das habe ich nie getan. Du wolltest es glauben. Vielleicht können wir eines Tages zurückkehren. Niemand weiß, wie die Situation in ein paar Jahren aussieht. Im Moment ist nur wichtig, dass wir in Sicherheit sind und die ganze Familie zusammen ist. Solange wir einander haben, können wir überall klarkommen.«
»Aber wenn ich auf die Duke University möchte, muss ich mich noch dieses Jahr bewerben!«
»Die Duke kommt nicht mehr infrage«, sagte Dad. »Dort werden einfach zu viele deiner früheren Mitschüler studieren, und sie kennen dich als April Corrigan, nicht als Valerie Weber. Es gibt ein nettes kleines College in Sarasota. Ich bin mir sicher, du wirst keine Probleme haben, dort angenommen zu werden.«
Ich öffnete den Mund, um zu widersprechen, aber er hob die Hand.
»Sag es nicht«, fuhr er mich an. »Ich will es nicht hören. Ich hatte gerade die gleiche Unterhaltung mit deiner Mutter. Sie ist außer sich und macht Max für alles verantwortlich. Noch mehr Vorwürfe ertrage ich jetzt einfach nicht.«
Er ging aus dem Zimmer, und ich lag da, zitterte vor Wut und hatte das Gefühl, als wäre mir der Boden unter den Füßen weggezogen worden. Das war alles so unfair. Ich hatte nichts getan, um das zu verdienen. Und ich hatte die ganze Zeit gedacht, unser Exil sei nur vorübergehend. Dad hatte gesagt, das Wichtigste sei, dass wir in Sicherheit und als Familie zusammen waren, aber ich hatte nicht mehr das Gefühl, eine Familie zu haben. Jede Wärme und Geborgenheit war aus unserem Leben gewichen, und meine Eltern hatten sich so sehr verändert, dass ich sie kaum wiedererkannte. Alles, was ich wollte, war, nach Hause zu gehen und diesen Albtraum hinter mir zu lassen.
DREIZEHN
Als ich am nächsten Morgen aufwachte, wusste ich, was ich tun würde. Es war, als wäre der Plan irgendwie über Nacht von selbst gereift. Mom hatte mir mal erzählt, dass die Probleme, die sie manchmal mit ihren Texten habe, in ihrem Kopf oft weiterarbeiteten, während sie schlafe, und wenn sie dann am nächsten Morgen aufwache, wisse sie instinktiv, wie sie zu lösen seien.
So war es auch bei mir, als ich an diesem Augustmorgen die Augen aufschlug und das Geld auf der Kommode liegen sah. Obwohl man die antiken Möbel unter Wert verkauft hatte, wusste ich, dass sie wertvoll gewesen waren. Ich sprang aus dem Bett und zählte das Geld – es waren über vierhundert Dollar, mehr als genug für ein einfaches Flugticket nach Norwood.
Natürlich wäre es mir lieber gewesen, mich meinen Eltern anzuvertrauen und ihnen zu erzählen, dass ich nach Hause und bei meiner Großmutter leben wollte. Aber mir war klar, dass sie mir das
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