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Schweig um dein Leben

Schweig um dein Leben

Titel: Schweig um dein Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lois Duncan
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Seite, doch das Sicherheitslicht über unserer Moteltür beleuchtete bloß den Zugangsweg zu unserem Zimmer, was rechts und links davon war, konnte ich nicht erkennen.
    Hinter mir schnarchte Lorelei friedlich weiter, und nachdem ich noch ein paar Minuten angestrengt in das Dunkel draußen gestarrt hatte und mir einmal sogar fast sicher gewesen war, den Schatten von jemandem zu sehen, der kaum merklich seine Position veränderte, begann ich mich zu fragen, ob ich mir das Ganze vielleicht nur eingebildet hatte. Schließlich zog ich den Vorhang wieder zu und schlich zu meinem Bett zurück. Aber ich war so voller Adrenalin, dass an Schlaf nicht zu denken war. Die Stunden vergingen, während ich immer wieder mit angehaltenem Atem in die Dunkelheit lauschte, weil ich glaubte, an der Tür ein Geräusch gehört zu haben. Jedes Mal stiegen dabei Bilder von kohläugigen Vampiren vor mir auf, die mit blutverschmierten Klauen am Türknauf rüttelten. Erst als ich hörte, wie allmählich Leben in die benachbarten Zimmer kam, wich die Anspannung und ich konnte endlich ein bisschen schlafen.
    Ein paar Stunden später weckte mich das Geräusch von laufendem Wasser im Badezimmer, und als ich die Augen aufschlug, sah ich, dass das Bett neben mir leer war. Ich stand auf, zog mich an, lief zur Tür und öffnete sie. Gegen die goldene Morgensonne blinzelnd blickte ich mich aufmerksam um – bis auf Loreleis Porsche und den schwarzen Camaro, den Porky so aufgeregt angebellt hatte, war der Parkplatz bereits leer, und ein paar Meter weiter schoben zwei Mädchen in Shorts einen Reinigungswagen vor sich her und versorgten die Zimmer mit frischen Handtüchern und Laken. Ich zog die Tür hinter mir zu und ging um das Gebäude herum zur Rezeption, wo statt des Mannes vom Abend zuvor eine untersetzte junge Frau mit krisseligen Locken stand.
    »Guten Morgen«, begrüßte sie mich fröhlich, als ich hereinkam. »Was kann ich für Sie tun?«
    »Meine Großmutter und ich sind in Zimmer hundertneunundzwanzig«, sagte ich. »Wir wollen gleich auschecken, können aber nur einen Zimmerschlüssel finden. Jetzt sind wir uns nicht mehr sicher, ob Ihr Kollege uns gestern einen oder zwei Schlüssel gegeben hat. Könnten Sie vielleicht kurz nachschauen bitte?«
    »Klar, kein Problem.« Die Frau drehte sich zu dem Schlüsselbrett um, das hinter ihr hing, und schüttelte dann den Kopf. »Nein, soweit ich sehen kann, hängt der zweite hier.«
    »Das ist gut«, sagte ich. »Dann müssen wir nicht danach suchen.« Die Erleichterung in meiner Stimme war alles andere als gespielt. Ich machte mich auf den Weg zum Wagen, um Porky rauszulassen, der sofort zu dem Gebüsch rübersprang, an dem er schon am Abend zuvor sein Bein gehoben hatte. Anschließend nahm ich ihn mit ins Zimmer, wo Lorelei, frisch geduscht und fertig angezogen, sich gerade die Lippen nachzog.
    »Ich dachte mir schon, dass du den Hund rausgelassen hast«, sagte sie und nickte Richtung Porky. »Ich hoffe, er hat nicht die ganze Innenausstattung des Wagens verwüstet.«
    »Natürlich nicht«, antwortete ich. »So was würde Porky nie machen.«
    Lorelei quittierte die Bemerkung mit hochgezogenen Augenbrauen, bevor sie sich zu Ende schminkte und mich bat, ihr dabei zu helfen, ihr Kleid zuzuknöpfen. Als wir alles wieder in unseren Taschen verstaut hatten, trug ich sie zum Porsche, und nachdem wir ausgecheckt hatten, fuhren wir einmal ums Gebäude herum und hielten vor dem moteleigenen Café, um zu frühstücken. Wir hatten Glück und fanden einen Tisch am Fenster. Die strahlende Morgensonne ergoss sich über unseren Tisch und tauchte unsere Teller und Tassen in honigfarbenes Licht. Der Kaffee war heiß und stark und die Zimtschnecken ganz frisch, und auf einmal wirkte alles so entspannt und friedlich, als hätte es die Ereignisse der letzten Nacht gar nicht gegeben.
    Ich hatte eigentlich vorgehabt, Lorelei davon zu erzählen, aber bei Tageslicht betrachtet kam mir die ganze Sache irgendwie lächerlich vor. Wozu sollte ich meine Großmutter beunruhigen, wenn ich mir wahrscheinlich alles nur eingebildet hatte? Schließlich hatte der Schlüssel zu unserem Zimmer nicht gefehlt, wobei es natürlich immer noch die Möglichkeit gab, dass er entwendet und wieder zurückgelegt worden war, aber dass jemand ein so großes Risiko einging, entdeckt zu werden, konnte ich mir eigentlich nicht vorstellen.
    Also genoss ich einfach das Frühstück mit meiner Großmutter, die tapfer versuchte, die Vergangenheit hinter sich

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