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Schweig wenn du sprichst

Schweig wenn du sprichst

Titel: Schweig wenn du sprichst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roel Verschueren
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kam mit der gläsernen Kaffeekanne zum Tisch, wo Brot und Butter bereitstanden, und schenkte zwei große Tassen voll. »Die Milch steht da und der Zucker auch.«
    Victor nahm den ersten Schluck Kaffee. Martha fing an zu essen.
    »Ich habe gestern die Bibliothek durchgesehen«, sagte Victor.
    »Und? Ist etwas dabei, was du gerne haben möchtest?«
    »Sehr viel. Die ersten Bücher habe ich schon zur Seite gelegt. Und das hier habe ich auch gefunden.« Er legte den Brief neben den Teller seiner Mutter.
    »Da muss ich zuerst meine Brille suchen. Ich kann das so nicht lesen.«
    Victor nahm ihre Brille vom Küchenschrank und setzte sich wieder neben seine Mutter. Er schaute sie ununterbrochen an. Er sah, dass sie errötete, unbehaglich auf ihrem Stuhl herumrutschte und ihre Brille auf den Tisch legte.
    »Den habe ich seit Jahren nicht mehr gesehen. Ich wusste nicht einmal, dass ich diesen Brief noch habe. Hast du nur eine Seite davon?«
    »Er ist aus einem Buch herausgerutscht, das ich aufgeschlagen habe, und weiter habe ich nichts gefunden.«
    Martha nahm den Brief wieder zur Hand. »Das ist ein Teil eines Briefes, den mein Zwillingsbruder meinen Eltern geschrieben hat«, sagte sie nach kurzer Zeit energisch und faltete das Blatt erneut zusammen.
    »Oma, das ist doch die Handschrift von Vater?«
    »Nein … Nein, das ist ein Brief von meinem Bruder Robert, der ist im Krieg gefallen.«
    »Oma!«, sagte Victor und nahm ihr den Brief aus der Hand. »Ich kenne Vaters Handschrift, ich würde sie unter Tausenden wiedererkennen. Hier, schau dir die Art an, wie sein ›Z‹ unten diesen Schnörkel hat und der Ansatz seines ›I‹. Das ist von ihm.«
    »Hör jetzt endlich damit auf«, sagte seine Mutter laut und zog ihm das Blatt aus den Händen. Sie stand vom Tisch auf und steckte den Brief in die Tasche ihres Hausmantels. »Wann kommt dein Taxi? An deiner Stelle würde ich mich beeilen, sonst kommst du noch zu spät zur Arbeit.«
    »Wir sprechen heute Abend noch mal darüber. Ich gehe duschen.«
    »Mach das.«
    Am Ende des Tages war Victor müde. Der Verleger hatte Schwierigkeiten gemacht, der Autor hatte sich quergestellt, aber die Arbeit war geschafft. »Ich werde früh zu Bett gehen«, sagte er zu seiner Mutter.
    »Hast du schon gegessen?«
    »Ja, ich brauche wirklich nichts mehr. Ich werde mich erst etwas frisch machen und Lilly anrufen, und dann setzte ich mich noch etwas zu dir.«
    Victor ging zu seinem Zimmer, hielt aber an, als er am Schreibtisch seines Vaters vorbeikam. Alle Bücher, die dort gelegen hatten, waren weg. Er lief zurück zur Küche und fragte verärgert: »Was ist hier los? Warum stehen alle Bücher, die ich ausgesucht habe, wieder im Schrank?«
    »Na, äh… Ich muss sie erst einmal alle gut abstauben und schauen, ob nicht eventuell doch ein paar dabei sind, die ich lieber selbst behalte. Du kannst sie beim nächsten Mal haben, wenn du wieder kommst. Dann dachte ich auch, dass es vielleicht im Hinblick auf deinen Bruder und deine Schwestern nicht richtig ist, wenn du die erste Wahl hast. Vielleicht ist es besser, wenn wir das alle zusammen machen.«
    »Oma, und in welchem Jahrzehnt glaubst du wird das passieren? Es ist schon mehr als fünf Jahre her, dass wir alle zusammen waren, und das war bei einer Beerdigung.« Er holte tief Luft, senkte die Stimme und sagte: »Ich schaue heute Abend alles noch einmal in Ruhe durch und verspreche, dass ich nur das absolute Minimum mitnehme. Nur, was ich in meinem Gepäck mitnehmen kann, okay?«
    »Nein, das machst du nicht. Ich möchte es lieber anders, und so bleibt es.«
    Victor fühlte Wut in sich aufsteigen und er wusste, dass er jetzt besser die Küche verlassen sollte.
    »Dann gehe ich schlafen. Ich fahre morgen früh zu Tante Maaike und fliege am späten Nachmittag zurück nach Hause. Bis morgen früh.«
    Er ging hinaus, ohne Martha noch einmal anzusehen.

5
    Am nächsten Morgen betrat Victor durch das Gatter den Bauernhof seiner Tante. Er hatte das Gespräch mit seiner Mutter nicht aus dem Kopf bekommen. Sie hatten sich voneinander verabschiedet, ohne noch viel zu sagen.
    Er beobachtete Maaike, die mit einem Eimer in der Hand den Innenhof überquerte. Als sie ihn sah, stellte sie den Eimer ab und hielt sich einen Arm über die Augen, damit sie besser sehen konnte. Sie streckte ihre Hände vor sich aus und rief: »Na, na, Söhnchen. Du hier. Na, na, mein Söhnchen!«, und kam flinker, als Victor erwartet hätte, auf ihn zu. Sie ging völlig krumm, fast neunzig

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