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Schweig wenn du sprichst

Schweig wenn du sprichst

Titel: Schweig wenn du sprichst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roel Verschueren
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Victor. »Sag das noch einmal.«
    »Nun, dass er dann umgezogen ist«, sagte Charles.
    »Nein, nicht das. Du sagtest, dass er sofort geheiratet hat, als er freikam. Freikam von was?«
    »Ich meine zurückkam, als er aus Deutschland zurückkam.«
    »Bist du sicher, dass du das gemeint hast? Wo war er denn in Deutschland und in welchem Jahr hat er geheiratet?«, fragte Victor.
    »War es nun Deutschland oder war es Polen? Ich weiß es nicht mehr, Junge. Das ist alles zu lange her. Und geheiratet hat er ’42. Oder war es ’43?« Er trank sein drittes Glas.
    Charles guckte plötzlich, als hätte er eine Eingebung und sagte, dass seine Schwester Yvonne über all das mehr wissen müsse, denn sie sei aus reiner Langeweile so neugierig, dass sie über alles und jeden Bescheid wisse. Die würde ihm weiterhelfen können.
    »Da komme ich gerade her«, sagte Victor kurz.
    »Ach, ja … Dann weiß ich eigentlich auch nicht mehr. Fliegst du heute noch zurück?«
    »Ich bleibe noch etwas in der Gegend.« Victor fühlte sich betrogen.
    »Dann wünsche ich dir eine gute Reise, Victor.«
    »Ich bleibe noch etwas im Land, ich reise also noch nicht sofort zurück«, klärte Victor auf.
    »Und trotzdem wünsche ich dir eine gute Reise«, wiederholte Charles. »Wenn nicht in Kilometern, dann wenigstens in der Zeit. Genieße den Sommer.«
    Victor schaltete sein Handy ein und tippte Lillys Nummer. Er hörte das Signal ein paar Mal und landete auf der Mailbox. »Liebes, ich bin’s. Ich habe gerade versucht Walter zu erreichen, aber ich war so dumm, mich in der Woche zu irren. Er ist immer noch im Ausland. Ich komme morgen zurück. Ich lasse dich noch wissen, mit welchem Flug. Ich bleibe heute Abend im Hotel und habe beschlossen, nicht bei meiner Mutter vorbeizuschauen. Sollte sie versuchen mich zu erreichen, weil ich den Anruf nicht annehme, dann weißt du, dass das Tamtam wieder losgegangen ist und dass sie weiß, dass ich im Land bin. Würdest du ihr dann einfach sagen, dass ich nicht rangehe, weil ich zu viel Arbeit habe und morgen zurück nach Wien muss? Ich hoffe, bei euch ist alles in Ordnung. Ach ja, und wenn die Theorie, dass wir mehr durch unsere Gene als durch unsere Erziehung bestimmt werden, zutrifft, dann erwartet dich mit mir noch einiges. Ich erzähle es dir später. Oder morgen, wenn ich zu Hause bin. Kuss, ich liebe dich. Tschüss!«
    Eine Stunde später war Victor auf seinem Zimmer und sah, dass Lilly ihn zurückgerufen hatte. Er zog sich Jacke und Schuhe aus, setzte sich aufs Bett und tippte ihre Nummer ein. »Ich war im Auto und habe dich nicht gehört«, sagte Victor. »Entschuldige.«
    »Kein Problem, ich wollte dich nur erreichen, weil ich einen Brief in der Post gefunden habe, der, dem Umschlag nach, ziemlich offiziell aussieht. Ich wollte wissen, ob ich ihn für dich öffnen soll oder ob das warten kann, bis du zu Hause bist.«
    »Was steht auf dem Umschlag?«
    »Advocaat-Generaal bij het Militair Gerechtshof, College van de Procureurs-Generaal«, las Lilly vor.
    »Okay. Mach bitte den Umschlag auf. Leg den Inhalt auf das Faxgerät – warte, ich suche die Nummer. Ich habe sie gerade nicht da, aber ich schicke sie dir per SMS. Ich gehe nach unten und warte, bis das Fax kommt.«
    »Gut, mach ich. Aber Victor?«
    »Ja?«
    »Rufst du mich zurück? Es interessiert mich schon, was drin steht.«
    »Ich rufe dich zurück.«
    Victor zog seine Schuhe an, knöpfte sich die Hose zu, nahm seine Zigaretten und ging die drei Stockwerke nach unten. Er nahm die Treppe statt des Aufzugs. »Ich erwarte ein Fax«, sagte er zu dem Mädchen hinter der Theke.
    »Sobald es eintrifft, bringen wir es auf Ihr Zimmer, mein Herr.«
    »Nein, ich warte lieber darauf.«
    »Auch gut. Nehmen Sie in der Lobby Platz. Ich werde Sie schon finden.«
    Victor zögerte, ging aber schließlich in die Lobby. Er bestellte ein Bier, zündete eine Zigarette an und lehnte sich zurück.
    Victor, Victor, was treibst du nur? Er trank einen Schluck Bier und versuchte, ein bisschen zur Ruhe zu kommen.
    »Ihr Fax, mein Herr.«
    Victor nahm die zwei Seiten von der Rezeptionistin entgegen und fing an zu lesen.
    ANFRAGE ABGELEHNT stand quer über seinem zurückgeschickten Brief. Für eine detaillierte Begründung siehe Punkt 5/IV.
    »5/IV«, sagte Victor und drehte das Blatt um. »5/IV… Ah, hier ist es.«
    Der Staatsanwalt kann auf Ihre Frage nach Informationen nicht eingehen. Laut anzuwendendem Militärrecht muss Ihrer Anfrage die ausdrückliche und schriftliche

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