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Schweig wenn du sprichst

Schweig wenn du sprichst

Titel: Schweig wenn du sprichst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roel Verschueren
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gestorben?«
    »Krebs. Sie hat lange gelitten, viel zu lange gelitten. Schau«, kam Walter auf das Thema zurück, »ich dachte eigentlich, du wusstest, dass ich die einzige Vertrauensperson deines Vaters gewesen bin. Ich habe angefangen mit ihm zu arbeiten, als ich einundzwanzig war. Ich wusste irgendwann mehr über ihn als Martha je gewusst hat, glaub mir. Dann stirbt dein Vater, und plötzlich ist es so, als sei alles egal. Nach einem Jahr wart ihr weggezogen, zwei Jahre später war die Fabrik verkauft, und der einzige Kontakt, den ich noch mit der Familie hatte, war, wenn deine Mutter mich ›einbestellte‹, um ihre Steuererklärung auszufüllen, obwohl ich schon lange nicht mehr in ihren Diensten stand.«
    »Walter, ich war mit anderen Dingen beschäftigt. Die Fabrik und alles, was damit zusammenhing, war so weit weg. Die kleinen Geschwister wohnten in einem neuen Haus, mit meiner Mutter, die langsam durchdrehte. Wir hatten plötzlich Probleme mit unserem Studium, jeder kreiste nur noch um sich selbst … Du musst auch mal versuchen, es von unserer Seite zu sehen. Prost.« Victor streckte sein Glas in Walters Richtung.
    »He, versteh mich nicht falsch. Prost«, sagte Walter und stieß mit Victor an. »Ich habe das später auch so gemacht. Warum hättet ihr schlaflose Nächte haben sollen, wie es mit dem Unternehmen eures Vaters ging, wenn ihr wusstet, dass das Geschäft einfach weiterlief, auch ohne ihn? Ich verstehe, dass ihr völlig andere Probleme hattet und auf der Suche nach einem neuen Gleichgewicht wart. Aber du bist der Erste, der seit dreißig Jahren zu mir kommt, um mit mir über einen Mann zu sprechen, der mein Leben bestimmt hat. Ohne ihn wäre ich nichts, verstehst du?«
    »Du tust dir selbst Unrecht. Du bist, der du bist, aus dir selbst heraus. Dass mein Vater das eine oder andere dazu beigetragen hat, ist klar. Aber auch ohne ihn wärst du heute dort, wo du bist.«
    »Victor, ich beklage mich nicht. Ich hätte viel mehr Probleme bekommen, wenn du früher auf mich zugekommen wärst. Du weißt, wegen meinem Versprechen.«
    »Du hast mir am Telefon zwei wichtige Dinge gesagt: Erstens, dass du wüsstest, worum es geht, zweitens, dass mein Vater sich heute nicht mehr im Grab umdrehen würde, wenn du redest. Welches Versprechen hast du ihm gegeben?«
    »Womit möchtest du anfangen? Komm, nimm dein Glas, wir gehen in den Garten.«
    Walter zog das große Schiebefenster vollständig auf und ging voraus. »Ich habe deinem Vater schwören müssen, dass ich – solange er lebt – niemals etwas darüber erzählen würde, was er mir anvertraut hatte. Und ich habe ihm versprechen müssen, nach seinem Tod nie aus eigenem Antrieb mit euch Kontakt aufzunehmen.«
    »Das ist eine schwere Bürde, die du dir aufgeladen hast.«
    »Das schien mir damals ganz normal und es passte zu unserer freundschaftlichen Beziehung.«
    Victor trat einen Schritt vor Walter und drehte sich um. »Wie war er, Walter?«
    Walter stoppte und nahm einen Schluck aus dem Glas. Victor sah, dass er zögerte. »Was für ein Mann war er in der Zusammenarbeit?«
    »Albert war als Arbeitgeber knallhart. Er war nie zufrieden und hatte an allem etwas auszusetzen. Er war hart zu sich selbst und erwartete dieselbe Disziplin und denselben Einsatz von seinen Angestellten. Er arbeitete bis zu sechzehn Stunden am Tag. Ich habe mich schnell an seinen Rhythmus anpassen müssen. Aber auf der anderen Seite kannte er jeden, mit Namen und Nachnamen, Namen der Frau und Kinder, Geburtstage und Hobbys, und er nahm sich immer für jeden Zeit, dem er begegnete. Aber er war hart. Wenn es nicht so lief, wie er es geplant hatte, dann griff er ein. Knallhart und schnell.«
    »Das ist nicht der Vater, den ich gekannt habe«, sagte Victor, als sein Handy klingelte. »Hallo?« Victor deckte das Telefon ab und sagte: »Entschuldige, Walter.« Walter winkte ab.
    »Victor, endlich erwische ich dich.«
    »Jef! Was kann ich für dich tun?«
    »Etwas mehr Arbeit schicken. Verdammt, Victor, du bist im Rückstand!«
    »Holla, ich bin im Plan und habe dir vorgestern mehr als hundert Seiten geschickt.«
    »Die hast du wohl an jemand anders geschickt, Victor. Komm schon, sag mir einfach, wann ich es bekomme.«
    »Jef, ich schwöre dir, die Datei ist irgendwo auf deinem Server. Lern doch endlich einmal, wie man damit umgeht. Und ich bin gerade in einer Besprechung.«
    »Ich hoffe, du hast recht, Victor. Die Deadline rückt näher.«
    »Jef?«
    »Ja?«
    »Bitte jemanden, nach der Datei

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