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Schweig wenn du sprichst

Schweig wenn du sprichst

Titel: Schweig wenn du sprichst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roel Verschueren
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anderthalb Kilometer zu Fuß zurücklegte, um Moira zu bringen und abzuholen. Sechs Kilometer am Tag, regelrechter Sport. Bevor er einen Platz in der Sonne fand, klingelte sein Handy. »Victor.«
    »Victor, Jozef … Jozef Mertens.«
    »Ach, hallo Jozef. Neuigkeiten?«
    »Nun, wie gesagt, drei Monate. Ich habe heute eine Nachricht bekommen, dass die Akte von Bergen nach Gent geschickt wurde, also habe ich sie übermorgen bestimmt auf meinem Schreibtisch. Möchtest du, dass ich sie kopiere und dir schicke?«
    »Nein … Äh, lass mich nachdenken … Eigentlich wäre ich am liebsten in Belgien, wenn ich sie lese. Wenn ich Fragen habe, kann ich sie direkt stellen. Vielleicht möchte ich bei der Gelegenheit auch bei meiner Mutter vorbei … Ich weiß es noch nicht. Ich maile dir noch vor Mittag, wie ich es mache.«
    »Okay, wenn du möchtest, dass wir sie zusammen durchsehen, lass es mich wissen. Dann versuche ich einen Termin freizuhalten. Andernfalls schicke ich sie dir gerne.«
    »Ich überlege kurz und maile dir, okay?
    »Gut. Dann …«
    »Jozef?«
    »Ja?«
    »Danke. Du weißt nicht, wie wichtig diese Nachricht für mich ist.«
    »Oh doch, glaub mir, das weiß ich schon.«
    »Dann bis sehr bald.«
    Victor bestellte ein großes Frühstück und lehnte sich mit dem Gesicht zur Sonne zurück. Er fragte sich, ob er jetzt eigentlich froh war oder nicht. War das Gefühl in seinem Inneren nun Ruhe oder eben gerade nicht? Alle Gespräche der letzten zwei Jahre, alle Briefe, die er gelesen hatte, alle Streitereien, Lügen und Zweifel kamen plötzlich wieder hoch. Verdammt, dachte er, es ist so weit. Er tippte Lillys Nummer. »Störe ich?«
    »Nein. Alles okay im Kindergarten?«
    »Sie hat sich nicht einmal umgedreht.«
    »Gut. Neuigkeiten?«
    »Jozef bekommt übermorgen die Akte«, sagte Victor.
    »He, hervorragend! Oder nicht?«
    »Ja.«
    »Was ist? Ängstlich?
    »Nein. Nervös!«
    »He, sieh es doch positiv. Du hast, was du wolltest. Wie du später damit umgehst, das siehst du dann schon. Höre ich da den Naschmarkt?«
    »Ja, schade, dass du nicht hier bist. Auf einen Kaffee und ein Schwätzchen.«
    »Das kriegst du schon allein hin. Versuche, es zu genießen.«
    »Ich würde am liebsten morgen hinfliegen.«
    »Ah … Das ist eine glänzende Idee. Es ist besser, wenn du die Akte dort liest. Warte …«
    Victor hörte Lilly fragen, ob Andrea morgen und übermorgen einspringen könne. »Für mich ist das kein Problem. Ich regle hier schon alles. Buch den Flug und geh bitte bei deiner Mutter vorbei. Vielleicht am besten noch bevor du Jozef triffst.«
    »Ich schau mal. Danke, Lilly.«
    »He, Partner. Nichts zu danken. Sag mir einfach, wann du aufbrichst, dann kann ich mich danach richten.«
    »Mache ich. Ich habe dich lieb.«
    Victor buchte einen viel zu teuren Flug, aber er hatte keine Wahl. Brussels Airlines und Austrian Airlines sprechen das bestimmt ab, dachte er. Ihre Preise im Internet waren komplett aufeinander abgestimmt. Er flog am nächsten Morgen um elf Uhr.

29
    Victor öffnete die kleine Hotelbar, nahm ein Tonic heraus und trank es in einem Zug leer. Er öffnete das Fenster, zündete eine Zigarette an und griff nach seinem Telefon. »Ich bin es.«
    »Wo bist du jetzt? Du klingst so nah.«
    »Das sagst du immer, auch wenn ich aus Wien anrufe.«
    »Nein, aber jetzt klingst du wirklich nah.«
    »Das liegt daran, dass ich in der Stadt bin.«
    »Ich wusste nicht, dass du zu Hause bist. Ist etwas?«
    »Ich bin nicht zu Hause. Ich bin im Ausland.«
    »Warum rufst du an?«
    »Einfach um zu sagen, dass ich morgen die Akte von unserem Vater bekomme. Bevor ich sie lese, wollte ich dich fragen, ob ich etwas wissen sollte oder ob du mir noch etwas erzählten möchtest?«
    »…«
    »Oma?«
    »Oh Gott! Warum muss das alles sein? Kannst du die Dinge nicht auf sich beruhen lassen?«
    »Offenbar nicht. Du weißt doch inzwischen, wie wichtig es für mich ist.«
    »Wie bist du da dran gekommen?«
    »Für jemanden, der alles ruhen lassen möchte, bist du aber ziemlich interessiert. Wir sprechen sicher noch darüber.«
    »Ich dachte, dass du meine Unterschrift brauchst, um an die Akte zu kommen?«
    »Offenbar doch nicht.«
    »Versuch einfach daran zu denken, dass du einen unglaublich lieben und guten Vater hattest, der sich Gott sei Dank sein ganzes Leben nur um uns gekümmert und vielen Menschen geholfen hat.«
    »Wie könnte ich das vergessen? Du brauchst mich nicht daran zu erinnern. Ich mache das alles, weil ich es brauche und

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