Schweigende Mauern: Historischer Kriminalroman aus Trier (German Edition)
Hausecke, als er den Platz erreicht hatte. Er musste nicht lange warten, schon schoss die Gestalt im Laufschritt an ihm vorbei. Doch der heimliche Verfolger hatte sofort erkannt, dass er entdeckt worden war. Er blieb nur kurz stehen, als er Nikolaus aus dem Augenwinkel erblickt hatte. Eilig überquerte er den Marktplatz und verschwand in der gegenüberliegenden Gasse.
»Doch kein Gespenst. Und das Gesicht konnte ich wieder nicht erkennen.« Nikolaus blieb noch eine Weile an der Ecke stehen, um zu sehen, ob der Verfolger wiederkam. Doch der blieb verschwunden.
»Wer war das bloß?«
Hatte der Schöffenmeister einen Spion auf ihn angesetzt? Der Verfolger hatte anscheinend schon draußen vor dem Haus von Junk auf ihn gewartet. Nikolaus erinnerte sich an das Türenknallen, als er auf dem Flur wartete. War zu dem Zeitpunkt schon ein Diener auf ihn angesetzt worden? Oder war dies der ärgerliche Viehhändler? Vielleicht war der doch nicht gleich ganz davongelaufen, sondern hatte sich hinter der Mauer zum Kornmarkt versteckt und beobachtet, wie der Fremde mit den Meistern redete, die ihm keine Entschädigung zahlen wollten. Nikolaus konnte beim besten Willen nicht sagen, wie Finken ausgesehen oder was er angehabt hatte. Er hatte nur kurz eine missgelaunte Person gesehen, die ihn zwischen die Fässer gestoßen hatte. Oder ... es war einer der Meister, mit denen er gesprochen hatte. Am Ende gar Grimbach? Auf jeden Fall hatte er jemanden aufgeschreckt. Die Frage aber war: wen und wodurch? Doch nun würde er besser aufpassen, wer sich in seiner Nähe befand.
Da er sich schon auf dem Markt befand, nahm er kurz entschlossen den kleinen Weg zur Stadtkirche. Er wollte mit dem Priester sprechen. Vielleicht hatte der noch ein paar Anhaltspunkte parat.
Der junge Mann fand Ulrich Trips vor dem Altar, als der gerade einige Leuchter von Wachsresten säuberte, polierte und neu mit Kerzen bestückte. Der Priester war überglücklich, seinen Mitstreiter vom Vormittag wiederzusehen. Die beiden begrüßten einander herzlich und tauschten Nettigkeiten aus. Nikolaus brachte das Gespräch aber schnell auf den Punkt und erklärte, vor welches Problem ihn der Dompropst gestellt hatte. Trips war natürlich sofort bereit, bei der Aufklärung zu helfen.
»Wer war eigentlich oben auf dem Dach, als der arme Meister abstürzte?«
»Die Meister Albrecht und Grimbach und drei Arbeiter.«
»Aber es sind doch nur zwei heruntergeschleppt worden!«, rief Nikolaus erstaunt aus.
»Genau. Das ist auch mir aufgefallen. Der dritte arbeitete weiter hinten und konnte sich noch früh genug verstecken, als die schreiende Meute oben auftauchte, sodass er nicht entdeckt wurde. Er traute sich erst wieder heraus, als ihn seine beiden gebeutelten Kollegen später riefen.«
»Verständlich. Und wo waren die Schöffen Theodor Junk und Philipp von Buschfeld und der Meister Hans Schauf bei dem Sturz?«
»Junk und Buschfeld kamen vorher hastig herein und fragten nach Herrmann Albrecht. Ich habe sie zum Turm geschickt. Dort ist die Treppe, um zum Dach zu gelangen. Einen Augenblick später kamen die Herren Kirn und Schauf.«
»Kirn? Wer ist das denn?«
»Walther Kirn, der Zunftmeister der Weber.«
»Aber ich habe nur die drei anderen gesehen. Ihn nicht.«
»Doch, doch«, Ulrich Trips nickte ganz aufgeregt. »Der war auch da. Aber der muss schnell wieder verschwunden sein. Ich habe ihn später nicht mehr gesehen – nur die drei anderen edlen Herren. Es tut mir leid, aber in der ganzen Aufregung habe ich nicht auf Kirn geachtet.«
Nikolaus beruhigte den Priester. »Nicht so wichtig. Ich habe ja auch nur die drei anderen gesehen. Aber wie lange vor dem Sturz kamen die vier denn an?«
»Wie lange? Nun ... puh ...« Er zuckte mit den Schultern. »Kann ich gar nicht mehr sagen.«
»So ungefähr reicht ja.«
»Äh ... weiß nicht.«
»Konnten sie schon oben bei Meister Albrecht angekommen sein?«
Der Priester schaute sich nervös um. »Ist das denn so wichtig?«
»Habt Ihr gehört, dass sie sich mit Herrmann Albrecht unterhalten haben?«
»Nein.«
»Habt Ihr denn die Schreie der Leute gehört, als der Baumeister in der Gasse aufschlug?«
»Das schon.«
»Und dann?«
»Ich bin zum Eingang am anderen Ende des Kirchenschiffs gelaufen. Draußen lag der Unglückliche, und die Herren kamen dann hinterher.«
Nikolaus seufzte innerlich. Der verstörte Priester von St. Gangolf war als Augenzeuge ein großer Reinfall. Hatten die vier Männer den Meister noch erreicht
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