Schweigende Mauern: Historischer Kriminalroman aus Trier (German Edition)
schien zu sagen: Schaut her, hier wohnen Geld und Macht.
Nikolaus klopfte an die Tür, und kurz darauf öffnete ein Bediensteter. Nikolaus nannte seinen Namen und erklärte, dass er gerne Herrn Junk sprechen würde.
»Das passt jetzt leider nicht, der hohe Herr ist sehr beschäftigt und darf nicht gestört werden. Versucht es morgen noch einmal.« Und schon wollte der Diener Nikolaus die Tür vor der Nase zuschlagen.
Geistesgegenwärtig schob der unerwünschte Besucher seinen Fuß in die Tür. Den stechenden Schmerz nahm er gerne in Kauf, wenn er dafür diese Untersuchung umso schneller beenden konnte. Er hatte keinerlei Lust, bis morgen zu warten, um sich dann vielleicht die gleiche Abfuhr einzuhandeln. »Ich bin hier im Auftrag des Kurfürsten!«, donnerte er ärgerlich los. Der schmerzende Fuß ließ seine Stimme lauter werden, als es sonst seine Art war. »Wenn Ihr mich nicht sofort vorlasst, wird sich Euer Herr dafür verantworten müssen! Ich muss nicht erklären, was das für Euch bedeutet!«
Der Diener wurde sichtlich nervös und öffnete die Tür wieder. »Entschuldigt bitte. Hättet Ihr gleich gesagt, dass der ehrwürdige Fürst Euch geschickt hat, hätte ich Euch sofort vorgelassen. Bittet wartet hier. Ich melde Euch auf der Stelle an.«
Nikolaus sah dem davoneilenden Bediensteten missbilligend hinterher. Ein unhöflicher Kerl. ›Hättet Ihr das gleich gesagt.‹ So konnte man seinem Gegenüber ja noch schnell eine Mitschuld geben. Langsam ging Nikolaus dem Bediensteten hinterher. Er wäre jetzt gerne Mäuschen gewesen und hätte gehört, was Theodor Junk seinem Diener vorwarf. Warum sich nur wünschen, das Mäuschen zu spielen? Er beschleunigte seinen Schritt. Zum Glück quietschten die massiven Eichenbohlen des Flurbodens nicht. Niemand im Haus bemerkte, dass ein Fremder leise näher kam. Hinter der Tür waren ärgerliche Stimmen zu hören, mehrere verschiedene. Theodor Junk war also nicht allein. Doch leider war kein Wort zu verstehen. Dann erklang das dumpfe Knallen einer Tür, und im Raum war es plötzlich still.
Nikolaus konnte gerade noch rechtzeitig ein paar Schritte zurückweichen, ehe der Diener die Tür wieder öffnete und ihn mit einer Verbeugung hereinbat. Es war etwa ein halbes Dutzend Herren anwesend. Theodor Junk erkannte er sofort, und der zweite, den er schon am Vormittag gesehen hatte, war entweder Philipp von Buschfeld oder Hans Schauf. Der dritte im Bunde fehlte. Wenn die Anwesenden Schöffen waren, konnte es sich hier offensichtlich nur um von Buschfeld handeln.
Der junge Mann deutete eine leichte Verbeugung an und inspizierte voller Bewunderung das prächtig getäfelte Zimmer. Verschiedene Schnitzereien an den Wänden und reich verzierte Polsterstühle um einen wuchtigen Eichentisch schmückten den Raum. Auch die Honoratioren waren prunkvoll gekleidet. Überall an ihren Umhängen und Westen prangten kunstvolle Stickereien und blinkten goldene und silberne Knöpfe.
Doch noch ehe der Besucher ein Wort der Begrüßung äußern konnte, fuhr ihn der Schöffenmeister rüde an: »Was wollt Ihr von uns?«
Nikolaus räusperte sich und versuchte, so ruhig wie möglich zu bleiben. Äußerlich erschien er vielleicht auch so, aber innerlich tobte ein gewaltiger Sturm. »Ich habe ein paar Fragen in Bezug auf den Tod des Zunftmeisters Herrmann Albrecht. Hättet Ihr die Freundlichkeit, mir dabei zu helfen?«
»Wir kennen Euch nicht. Könnt Ihr Eure Befugnis zeigen? Soweit ich weiß, ist der Kurfürst im Moment in Koblenz. Wie sollte er so schnell von dem Unfall erfahren haben?«
Der junge Mann richtete sich auf. »Ich bin Doktor der Juristik und als solcher in Diensten des Erzbischofs. Er verlieh mir die Befugnis, Vorlesungen über Kirchenrecht zu halten, mich als juristischer Gutachter niederzulassen und in Prozessen als Anwalt aufzutreten. Heute wurde ich von seinem Vertreter, dem Dompropst Simeon von Meuren, beauftragt, den Tod des Zimmermannsmeisters zu untersuchen.«
»Ha!«, rief Junk aus und kam mit grimmigem Gesicht näher. »Der Rat hat das Recht, hier in Trier selbst für Ordnung zu sorgen und wenn notwendig auch selbst Gericht zu halten. Warum mischt Ihr Euch also in unsere Angelegenheiten ein?«
Nikolaus pfiff sich innerlich zurück. Wenn er in die gleiche Kerbe schlug, war er schneller wieder auf der Straße, als er hereingekommen war – ohne neue Erkenntnisse erhalten zu haben. »Ich verstehe Euren Standpunkt sehr wohl. Nach den Verträgen, die Eure Vorväter mit dem
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