Schweigende Mauern: Historischer Kriminalroman aus Trier (German Edition)
Kurfürsten geschlossen haben, habt Ihr das hohe Recht, die Verwaltung nach Eurem Ermessen zu gestalten, Gericht zu halten und Verordnungen zu erlassen. Das möchte ich respektieren. Deshalb komme ich mit der Bitte um Hilfe, auch wenn der Dompropst mir den Befehl erteilte.«
Dieses offene Geständnis verwirrte die anwesenden Herren. Sie schauten sich erstaunt an. So ergriff Nikolaus die Gelegenheit und sprach weiter: »Wie es scheint, glaubt Eure Tochter nicht, dass es ein Unfall war. Leider habe ich diese ... unglückliche Anschuldigung gehört.«
Theodor Junk machte eine abschätzige Handbewegung: »Helena soll sich nicht immer so anstellen.«
»Als seine Ehefrau kannte sie Herrmann Albrecht bestimmt gut. Sie würde sicherlich nichts sagen, wenn sie Zweifel am Unfalltod hätte – auch wenn ihre Beschuldigung doch weit hergeholt klingt.«
Der Schöffenmeister war plötzlich nicht mehr so abweisend. Seine Neugier war geweckt. Als Machtmensch war er zu vorsichtig, um einen möglicherweise wertvollen Hinweis zu ignorieren. »Wie kommt Ihr darauf?«
»Ihr habt Euren Schwiegersohn bei der Ernennung zum Zunftmeister unterstützt und ihm dann Eure Tochter zur Frau gegeben. Das macht doch bestimmt niemand, der ihn anschließend umbringen will. Welchen Sinn hätte das?«
Junks Augen blitzten kurz auf. Ein kurzes Lächeln zuckte um seine Mundwinkel, aber er ließ sich sonst nichts anmerken. Stattdessen erklärte er: »Helena ist sehr ängstlich und befürchtet stets das Schlimmste. Sie gleicht da ihrer seligen Mutter. Wenn ich immer auf ihre Befürchtungen oder Ängste achten würde, wäre ich den lieben langen Tag unterwegs, um meine verehrten Kollegen im Rat von der Arbeit abzuhalten.«
Mit einer ausladenden Handbewegung zeigte er in die Runde. Nun entspannten sich auch die anderen Herren. Einige lächelten sogar wohlwollend.
Auch Nikolaus entspannte sich wieder. Die drohende Zuspitzung hatte er gerade noch so abwenden können. Es war auf jeden Fall besser, diplomatisch vorzugehen, als sein eigenes Ego in den Vordergrund zu stellen. Er fragte nun: »Ihr denkt, es war ein Unfall?«
»Was sonst? Auch ein erfahrener Meister kann einmal danebentreten.«
»Sicherlich. Kein Mensch ist unfehlbar. Aber kann es nicht auch Selbstmord gewesen sein?«
Ein Raunen erfüllte das Zimmer.
»Warum sollte er so etwas getan haben?«, wollte Philipp von Buschfeld wissen.
»Ich versuche, jede Eventualität zu prüfen. Deshalb sollte auch diese Art des Todes in Erwägung gezogen werden. Wüsstet Ihr einen Grund?«
»Woher denn? Ich kannte ihn ja kaum.«
»Und mir ist auch nichts bekannt«, ergänzte Theodor Junk sehr bestimmt.
»Gibt es sonst etwas über den Meister Albrecht, das Ihr mir sagen könntet?«
Alle Herren schauten auf den Schöffenmeister, der nach einem kurzen Augenblick des Nachdenkens antwortete: »Ich kann nichts Negatives über ihn sagen. Sonst hätte ich ihm bestimmt nie Helena zur Frau gegeben. Er war ein stadtbekannter, langjähriger Zimmermannsmeister.«
»Man wird ihn also vermissen.«
»War das eine Frage oder eine Feststellung?«
Jetzt war der junge Gelehrte an der Reihe zu lächeln. »Sagt Ihr mir es.«
Theodor Junk blickte seinem Gegenüber fest in die Augen. »Natürlich. Schließlich hinterlässt er eine Witwe.«
Nikolaus nickte: »Natürlich. Verzeiht mir bitte diesen Denkfehler. Kennt Ihr eigentlich auch den jungen Meister Adam Grimbach?«
»Leider ja. Er hat vor einiger Zeit die Frechheit gehabt, mich um Helenas Hand zu bitten. Aber es wäre eine Schande gewesen, sie solch einem unerfahrenen, ärmlichen Burschen zu geben. Kein Vergleich zu Herrmann Albrecht. Deshalb bekam der sie. Es sollte ein gutes Zeichen der Zusammenarbeit zwischen den Schöffen und den Zünften sein.«
»Gab es denn Probleme?«
»Einige Zünfte sind der irrigen Meinung, ihre Interessen würden im Rat nicht angemessen vertreten. Sie möchten mehr Mitspracherecht. Einerseits sind uns bei der Zusammensetzung des Rats die Hände gebunden. Die wurde durch Verträge mit dem Kurfürsten so festgelegt. Andererseits gibt es einige Familien und Zünfte, die ... wie soll ich es ausdrücken ... die mehr zum Wohlergehen der Stadt beitragen. Sie sorgen für mehr Ansehen, für mehr Arbeit für die Stadtbevölkerung, dafür, dass mehr Geld nach Trier kommt. Deshalb ist es nur recht, wenn dieses
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auch entsprechend gewürdigt wird.«
Nikolaus kannte diese Sprüche zur Genüge. Als würden viel Geld und großer Einfluss einen
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