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Schweigfeinstill

Schweigfeinstill

Titel: Schweigfeinstill Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friederike Schmöe
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Sorgfältig trennte ich die Naht auf, die das linke vordere Sesselbein umschloss. Fädchen um Fädchen schnippte ich entzwei und dachte mit Abscheu daran, dass ich irgendwann die Naht richten musste. Doch nun kam es nur auf eines an: auf einen Speicherstift mit einer Kapazität von 512 MB.
    Nach ein paar Minuten Geduldsprobe war das Loch groß genug. Den USB-Stick in der Hand, flitzte ich in Rabeas Zimmer und betete, sie möge nicht nach Hause kommen, bevor ich auf ihrem Computer überprüft hatte, ob meine Daten noch auf dem Stick waren. Myrthis besaß als echte Fachfrau keinen privaten PC. Leider hielt mein klingelndes Handy mich davon ab, mein Vorhaben schnell in die Tat umzusetzen. Was in aller Welt hatte mich bewogen, ›Il core vi dono‹ aus Così fan tutte als Signalton zu aktivieren?
    »Laverde?«
    »Keller hier. Frau Kea Laverde?«
    Meine Güte, ich hatte ihm meine Handynummer gegeben. Wen meinte er an der Strippe zu haben? Meine Mutter?
    »Ja.«
    »Ich wollte Sie daran erinnern, dass Sie morgen bei uns in der Polizeidirektion vorbeikommen müssen, um das Protokoll zu unterzeichnen.«
    Natürlich. Die Diener des Staates hatten nichts als Papierkram im Sinn. Wenn das alles war … Ich schaltete Rabeas PC ein.
    »Sicher«, murmelte ich zerstreut, während ich im Stillen betete, dass Rabea noch nicht auf die Idee gekommen war, ihren Rechner mit einem Passwort zu sichern.
    »Wie meinen Sie?«, fragte Keller.
    Teufel auch, hatte ich mein Stoßgebet laut ausgesprochen?
    »Nichts. Ich komme vorbei.«
    »Sie haben ja meine Nummer. Nur für den Fall, dass Ihnen noch etwas einfällt.«
    »Klar.«
    »Gute Nacht.«
    »Tschüss.«
    Ich legte das Handy beiseite und steckte den Speicherstift in die Buchse. Bittebittebitte. Ich will auch immer brav sein. Genaugenommen gab es keinen Grund, anzunehmen, dass jemand den Stift aus der Polsterung geschält, die Daten gelöscht und alles wieder fein säuberlich vernäht hatte. Aber man konnte nie wissen. Es gibt alles, sagte Janne immer, und er hatte recht damit.
    Wenige Sekunden später Gewissheit. Vor mir baute sich die Datensicherung der letzten Woche auf. Alle Unterlagen zum Projekt Andy Steinfelder waren da, bis auf unser letztes Gespräch am vergangenen Donnerstag, das ich heute Nachmittag rekonstruiert hatte. Erleichtert zog ich den Stift ab und fuhr Rabeas PC herunter. Also wusste niemand von meinem Schwabinger Unterschlupf. Halleluja. Ich trabte beschwingt in die Küche und klaute mir aus Myrthis’ generalstabsmäßig angelegten Vorräten eine Flasche Pepsi. Mundraub, Myrthis, dachte ich, während ich die Hälfte in einem Zug herunterspülte. Himmel, was war mein Hals trocken. Ich hatte eine Menge zu tun. Ich brauchte einen neuen Laptop, eine zusätzliche Sicherung. Und ich wollte meine Daten zurück. Nun, da ich den ersten Schrecken verdaute hatte, meldete sich schon der nächste zu Wort. Jemand hat deine Daten, Kea! Ja, danke, Stimme des Lebens, ich weiß es. Ich nahm noch ein paar Schlucke Pepsi. Passwörter ließen sich leicht knacken, und wer immer nun im Besitz meines Laptops war, würde einen Weg finden, Texte, Excel-Listen und Datenbanken anzuzapfen. So ein dämlicher Mist! Niemand machte sich die Mühe, Unterlagen zu klauen, und zwar zweimal, einmal aus meinem Arbeitszimmer und einmal aus einem Unfallwagen. Wobei wir es mit zwei Tätern zu tun hatten, darauf wäre ich schon noch selber gekommen, auch wenn Juliane mir nicht auf die Sprünge geholfen hätte. Ging das überhaupt, den ganzen Krempel nach einem solchen Unfall ratzfatz einzusammeln und abzuhauen? Flogen nicht sämtliche Gegenstände in einem Auto herum, wenn es irgendwo dagegenraste? Mir fiel ein, dass Fönfrisur eine Aktentasche unter den Arm geklemmt hatte, als er sich aus meiner Küche davonmachte. Ich sah die Geste ganz deutlich vor mir. Sein gespielt entrüstetes Gesicht und der Griff nach der Mappe; einer ziemlich großen Mappe, mit Platz genug für meinen Laptop und sämtliche anderen Unterlagen, die der gute Mann zusammengeklaut hatte.
    Wo zwei Täter waren, waren vielleicht noch mehr. Aber warum? Was war so interessant an meinen Daten? An Andys Leben? Wollte jemand Andys Buch sabotieren? Aber wer? Seine Frau? Quatsch. Sie war doch froh, dass Andy durch die Interviewtermine mit mir neben den Therapien noch ein wenig Beschäftigung hatte. Jedenfalls hatte Jenny, die Tochter der beiden, so etwas angedeutet.
    Der Fernseher gegenüber wurde ausgeschaltet. Jemand kam auf den Balkon und sah zu

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