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Schweigfeinstill

Schweigfeinstill

Titel: Schweigfeinstill Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friederike Schmöe
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Ruhm bestätigen wollten, indem sie ein Buch über sich selbst auf dem Ladentisch liegen sahen! Was war schon so interessant an einem Fußballspieler oder Rennfahrer? Sie waren zwar ungewöhnliche Menschen, die extravagant lebten, aber im Prinzip waren ihre Lebensgeschichten banale Angelegenheiten. Anders bei Andy Steinfelder: Nach außen hin sah er wie ein gewöhnliches, langweiliges Mitglied der Herde aus. Aber seine Lebensgeschichte war ungewöhnlich. Wenige Menschen brachten so viel Tapferkeit und Mut auf wie er. Andy eroberte sich sein Leben zurück. Trotz seiner vernichteten Sprache und der unbrauchbaren rechten Hand beanspruchte er Tatendrang und Lebensfreude. Ich wusste, wie es war, auf die entscheidenden Lebensfunktionen zurückgeworfen und zu Geduld gezwungen zu werden, zum Warten, zum Stillhalten. Wenn die Gedanken sich durch das Vakuum fraßen, die Zweifel, die Ängste, die Willensschwäche, die Griesgrämigkeit, die Grübelei, der Hass auf jene, die einfach aufstanden und davongingen, um irgendwo in einem Restaurant zu Abend zu essen. Ich wusste, was es hieß, nur zu atmen, zu essen und zu scheißen. Ohne Selbstvertrauen, ohne Trotz kam keiner durch solche Situationen durch. Und nicht ohne Liebe.
    Aus den Lautsprechern knurrten Alain Delon und Françoise Hardy im Duett. › La vie est faite de morceaux, qui ne se joignent pas, Mademoiselle Brown.‹ Das Leben besteht aus Stücken, die nicht zueinander passen.
    Kurz sauste das Porträt eines Mannes durch mein Bewusstsein. Eines Mannes mit kurzen, braunen Locken. Es verschmolz beinahe sofort mit der Dunkelheit.
    Stücke, die nicht zueinander passen. Bruchstücke. Stückwerk.
    Lange saß ich so da und starrte in die Schneenacht.

9.
    23. Juli 2005, 19:30
    Die Frau stand vor dem Spiegel und steckte ihr Haar hoch. Langhaarige ertragen die Hitze nur mit freiem Nacken, hatte gestern jemand gewitzelt und an ihren Strähnen gezogen. Sie musste grinsen. Mario trat hinter sie.
    »Na? Gut erholt?«
    »Klar!« Sie war gut erholt nach zwei Wochen Griechenland, und sie würde die Sinai-Reportage hinbekommen. Die anfänglichen Selbstzweifel waren verflogen, der Wind der Ägäis hatte sie weggepustet.
    »Gehen wir ins Hard Rock Café?«
    »Habe ich mir gedacht, dass du das vorschlägst.« Die Frau zupfte an ihrem Haar und griff zum Lippenstift. »Nein, rechtfertige dich nicht, ich weiß, warum du ausgerechnet da hinwillst.«
    »Ach?«
    »Aber sicher. Ich habe mitgekriegt, dass du gestern mit der Schönen aus Haifa ein Date ausgemacht hast …«
    Er packte sie an den Schultern. Drehte sie zu sich und küsste sie. Ließ seine Hände zu ihren Brüsten wandern. Sie genoss die Berührung. Als er sie losließ und prüfend musterte, prustete sie los: »Lippenstift, überall, dein ganzes Gesicht ist voll davon!«
    Er sah in den Spiegel und lachte ebenfalls. Mit ihm konnte sie sich frei fühlen. Keine unterschwelligen Anforderungen. Tu dies für mich, lass das für mich. Trinken wir mit meinen Eltern am Sonntagnachmittag Tee? Nun komm schon, lass dich nicht immer bitten, wie sieht das denn aus, wenn ich alleine hingehe … Darauf konnte sie ein für alle Mal verzichten. Sie riss ein Kleenex aus der Schachtel und hielt es ihm hin. »Richte dich her, Hübscher, und lass uns gehen. Die Schöne aus Haifa hat bestimmt schon den Schampus kaltgestellt, damit der Herr seinen Geburtstag gebührend feiern kann.« Sie stupste ihn auf die Nase und verließ das Bad.
    Die türkise Tunika und die weiten schwarzen Leinenhosen hatte sie erst gestern gekauft. Prüfend besah sie sich im Spiegel. Sie war rund, aber alles saß an der richtigen Stelle. Seit einem knappen Jahr, seit sie mit Mario zusammenwar, ging es ihr gut, so gut. Sie hatte wenig Glück mit Männern gehabt. Vielleicht musste eine Frau bis Mitte 30 warten, um endlich den Richtigen aufzustöbern. Sie lächelte ihr Spiegelbild an. Sie hatten in Griechenland Urlaub gemacht und waren vor zwei Tagen in Scharm al-Scheich angekommen. Mario hatte noch frei, und sie würden die Recherchen für ihre Reportage gemeinsam unternehmen. Sie genoss die Vorfreude. Sie war zu oft allein durch die Welt geflogen.
    »Kea? Kommst du?«
    Mario stand an der Tür und klimperte mit dem Schlüssel, während sein Blick wohlgefällig auf ihrem Hintern ruhte.
    »Schon unterwegs.« Sie zog die Tür hinter sich zu und folgte Mario in die Lobby. Als sie vor das Hotel traten, empfing sie die trockene Hitze der Wüste.

     

Montag

10.
    Hauptkommissar Nero Keller

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