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Schweigfeinstill

Schweigfeinstill

Titel: Schweigfeinstill Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friederike Schmöe
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mir herüber. Unwillkürlich trat ich ein paar Schritte zurück. In Städten bekam ich schnell das Gefühl, beobachtet zu werden, von tausend Augen. Als kröche ein Dschinn aus den Heizungsrohren, um zu beurteilen, was ich tat. Ich löschte das Licht in der Küche und fühlte nach dem Datenstift. Da war er, klein und fest, schmal wie ein Taschenmesser.
    Plötzlich hatte ich es eilig. Besser, ich verschwand, bevor Rabea oder Myrthis zu Hause einfielen und Antworten auf Fragen einforderten. Ich rannte in mein Winzlingszimmer, flickte notdürftig das Sesselbein, vergewisserte mich in der Küche, dass nichts verändert aussah, packte Myrthis’ Pepsiflasche und stürmte davon. Als ich aus meiner Parklücke fuhr, sah ich meine beiden Mitbewohnerinnen einträchtig nach Hause marschieren, untergehakt und gut gelaunt. Ich duckte mich hinter das Lenkrad. Sie sahen nicht in meine Richtung.
    Der Nieselregen ging in Schnee über. Nasse Flocken legten sich auf die Windschutzscheibe. Die Scheibenwischer kamen kaum nach. Ziemlich schnell hatte die Scheibe einen weißen Rahmen mit schwarzen Dreckpünktchen drin. Auch das noch. Aber meine Sehnsucht, aus der Stadt rauszukommen, war so heftig, dass ich die glatten Straßen ohne Fluchen akzeptierte. Als ich die Innenstadt hinter mir ließ, atmete ich freier. Ich kurbelte das Fenster ein Stück herunter, um die beschlagenen Scheiben freizukriegen. Als ich an einer Ampel wartete, ging in der Bäckerei rechts das Licht an. Ich sah auf die Uhr. Mitternacht.

     

8.
    Es war kurz nach eins, als ich zu Hause ankam. Mein Haus lag im Finstern. Immer noch fiel Schnee. Ab Ohlkirchen war die Straße nicht geräumt gewesen, aber ich hatte vor wenigen Wochen neue Winterreifen gekauft und war nun froh, diese Investition nicht auf die lange Bank geschoben zu haben. Jungfräulich weiß lag der Schnee in meiner Auffahrt. Friedlich, als habe es hier nie einen tödlichen Unfall gegeben. Kurz stellte ich mir vor, wie der Geist des toten Slipperträgers umging, seiner ewigen Ruhe beraubt, weil er seinerseits bestohlen worden und auf so schnöde Weise umgekommen war.
    Nicht paranoid werden, Kea!, mahnte ich mich. Ich hielt vor dem baufälligen Schuppen. Der Schnee machte mich selbstsicher. Spuren von Eindringlingen, die behaupteten, Liebhaber zu sein, würde man deutlich sehen. Ich nahm die Taschenlampe aus dem Seitenfach und stieg aus. Janne hatte mir empfohlen, einen Bewegungsmelder zu installieren, damit sich die Außenbeleuchtung anschaltete, wenn jemand in Hausnähe kam. Ich hatte mich noch nicht darum gekümmert.
    Der nasse Schnee legte sich auf Anorak und Haar. Ich lief zur Tür, schloss auf und drehte das Licht an. Hinter mir schlug ich die Tür ins Schloss und sperrte ab. Hängte meinen Anorak auf und betrachtete mich einen Augenblick im Garderobenspiegel. »Schon o. k., Kea«, murmelte ich mir zu und fand, dass meine Stimme in dem leeren Haus hohl klang.
    Manche Menschen, die unfreiwillig allein lebten, empfanden das Heimkommen in eine leere Wohnung als bedrückend. Für mich galt das Gegenteil. Ich entspannte mich, sobald ich meine Ruhe hatte. Juliane warf mir Intoleranz vor. Weil ich es nicht ertrug, mich mit Menschen zu umgeben, die mir nicht lagen. Aber was war verwerflich daran, Unabhängigkeit zu schätzen? Einen Abend zu genießen, dessen Fernseh- und Lese-programm ich alleine bestimmen konnte?
    Ich versteckte den Speicherstift in der Aspirinschachtel im Bad. Ging in die Küche, köpfte eine Flasche Merlot und setzte mich auf einen Barhocker. Lange saß ich da und blickte in die Nacht hinaus, sah dem milchweißen Tanz der Schneeflocken zu. Ich würde Andy Steinfelder nicht aufgeben. Weder seine Sprachschwierigkeiten noch der gestohlene Laptop konnten mich von diesem Projekt abbringen. Genaugenommen fand ich es angenehm, endlich an einem Buch zu arbeiten, in dem zwischen den Zeilen so etwas wie Seele wohnte. Nicht diese spröden Ratgeber über Sachen, die sich jeder halbwegs intelligente Mensch selbst denken konnte. Zeitmanagement, du liebe Güte. Ich goss mir Wein nach und suchte eine CD von Françoise Hardy heraus. Hatte nicht jeder gleich viel Zeit und kam nicht immer neue Zeit nach? War das eigentlich immer dieselbe Zeit, oder jeweils neue? Was für ein Quatsch zu behaupten, man habe ausreichend Zeit, man würde sie nur falsch nutzen. Ich musste lächeln. Schon landete ich im Duktus des Ratgebers. Und dann diese Knalltüten mit Starallüren bis unter die Schädeldecke, die sich ihren

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