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Schweigfeinstill

Schweigfeinstill

Titel: Schweigfeinstill Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friederike Schmöe
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Rattenschwanz von Vorgeschichten. Kellers Blick engte mich ein. Ich hob den Kopf.
    »Warum sind Sie so wütend?«, fragte er.
    »Ich hasse es, angestarrt zu werden. Ich hasse es, unter Beobachtung zu stehen und für Belanglosigkeiten aus meinen Gedanken gerissen zu werden.«
    »Das müssen Sie aushalten. Ihre Ruppigkeit wird nicht verhindern, dass ich mir Fragen stelle.«
    »Was dagegen, dass es Einzelgänger gibt?«, knurrte ich zurück.
    »Sie waren kurz vor dem Mord bei Steinfelder. Sie waren in der Nähe des Ortes, an dem die Leiche gefunden wurde. Wer kann mir sagen, dass nicht Sie den Mann getötet haben?«
    Jetzt drehte er komplett durch.
    »Ich? Und warum hätte ich das tun sollen?«
    »Ich fahre Sie jetzt zu Ihrem Auto. Meines parkt nämlich hier.« Er wies auf seinen zugeschneiten Volvo vor der Litfaßsäule an der Ecke. »Wir werden im Freitagnachmittagsverkehr einige Zeit brauchen, und so haben Sie Gelegenheit, mir zu erzählen, was Sie wissen.«
    »Zu freundlich«, sagte ich, »aber ich nehme die U-Bahn.«
    »Was ist gestern passiert?« Seine Torfaugen sahen mich an. »Sie wirkten extrem angespannt. Was hat Sie bei dem Sauwetter nach Rosenheim getrieben?« Er schloss seinen Wagen auf.
    »Wann ist der Mann umgebracht worden?«
    »Kurz vor elf.«
    Ich kramte meinen Geldbeutel aus der Tasche.
    »Da saß ich längst in der U-Bahn. Überprüfen Sie meine Streifenkarte.«
    »Ich glaube ja nicht, dass Sie ihn umgebracht haben, aber ich bin auch nicht an dem Fall dran.« Er lächelte unerwartet. »Nun steigen Sie schon ein. Sie frieren ja.«
    Schlaumeier. Ich sank auf den Beifahrersitz und schnallte mich an. Während Keller die Scheibe freikratzte, überschlug ich meine Möglichkeiten. Am Telefon gestern Abend hatte ich dem Kommissar weder von Müller erzählt noch davon, dass ich Andys Ghostwriterin war. Wie hatte er das herausgefunden? Außerdem musste ich ihm beibringen, dass ich in Thalkirchen spioniert, Gina und einen gewissen Lehr zusammen gesehen hatte, dass Jenny Steinfelder von der Liebschaft der Mutter wusste und sie sogar gefilmt hatte. Ich hatte von Marietta die Zugangsdaten zu These-Girls bekommen, obwohl sie für eine andere Frau bestimmt waren. Und obendrein Informationen gekriegt, nach der die Polizei sich höchstwahrscheinlich die Finger leckte.
    Ich war ein As im Zusammenfassen. Den Knackpunkt einer Geschichte konnte ich leicht einkreisen. Als Keller einstieg und den Motor anließ, hatte ich die Gliederung, wie ich ihm die wesentlichen Neuigkeiten beibringen wollte, bereits im Kopf.

55.
    30. Juli 2005, 13:30
    Es war ihr erster guter Tag. Trotz der Helligkeit, die durch die Jalousien drang und ihren Augen wehtat, konnte sie ohne Schmerzen durchatmen und sich allein im Bett umdrehen. Die Schwester hatte den Katheter entfernt.
    Get up, Mrs. Laverde. Please, try, Mrs. Laverde. Be kind, Mrs. Laverde.
    Kea wollte es versuchen, aber da war die Angst. Die bizarre Angst, dass die neue Hüfte sie nicht tragen würde. Die Angst, zu stürzen und alles von vorne beginnen zu müssen. Man brachte ihre Mahlzeit und stellte den Teller auf den Tisch an der Wand. Sie musste aufstehen.
    Come on, we help you, Mrs. Laverde.
    Sie konnte ins Bad gehen. Allein. Es funktionierte. Nur der Kreislauf wollte noch nicht so recht. Es war wichtig, dass sie sich bewegte, um den Blutdruck zu stabilisieren. Das wusste sie selbst, auch ohne das freundliche Gesicht, das auf sie wartete, als sie aus der Dusche kam.
    Everything o. k., Mrs. Laverde?
    Everything o. k. Sie fasste das nasse Haar zu einem Pferdeschwanz. Mario kam. Er sah aufgeräumt aus, glücklich, sie am Tisch zu sehen.
    »Na, schmeckt’s?«
    Ja, es tat gut, auf einem Stuhl sitzend zu essen.
    »Die Schmerzmittel haben sie noch nicht abgesetzt«, sagte Kea. »Mein rechtes Knie tut weh. Richtig weh. Die Operationswunde ist dagegen ein Klacks.«
    »Vielleicht solltest du darum bitten, dass sie das Knie mal ansehen.«
    »Haben sie schon. Aber sie finden nichts.« Kea streifte das Bein ihrer Jogginghose hoch, um Mario das geschwollene Knie zu zeigen. Es war so dick, dass sie es kaum einknicken konnte, ganz zu schweigen von dem hämmernden Schmerz, der sogar den Nebel des Analgetikums durchbrach.
    Mario reagierte nicht richtig. Nicht so, wie ein Boyfriend es tun sollte. Er bemitleidete sie nicht und bemühte sich nicht um einen Ton, der sie beruhigen und ihr Mut machen würde.
    »Ich muss zurück.«
    Kea sah auf den Koffer, den er hinter der Zimmertür abgestellt hatte.

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