Schwein Oder Nichtschwein
Wilberforces aus Hampshire, begann schon vor dem Frühstück damit, die Zehen zu berühren, und er hatte eine Art Anfall. Ich weiß nicht, wie ich es vergessen konnte, als Sie heute nachmittag hier waren, aber gleich nachdem Sie gegangen waren, fel es mir wieder ein. Ich habe neulich eine Anzeige in der Zeitung gesehen. Es handelt sich um ein ganz neues Schlankheitsmittel, das irgend jemand gerade erfunden hat. Haben Sie schon davon gehört? Es nennt sich Slimmo, und es scheint vorzüglich zu sein. Augenscheinlich enthält es keine schädlichen oder süchtig machenden Substanzen, es wird von führenden Medizinern empfohlen, die sich alle einig sind und es als sicheres und angenehmes Mittel beschreiben, überfüssige Pfunde loszuwerden. Wenn es wirklich so gut ist, wie gesagt wird, wären Sie in der Lage, Glorias Wunsch nachzukommen, ohne zu fasten und ohne Gymnastik zu treiben, was ja auch eine solch schlimme Wirkung bei dem entfernten Verwandten gehabt hat. Es war übrigens Rupert Wilberforce – eine Art Cousin zweiten Grades, könnte man sagen –, er ist mit einer Fairbairn von den Devonshire-Fairbairns verheiratet. Er war schon etwas älter – ungefähr so alt wie Sie –, und als er merkte, daß er zugenommen hatte, überredete ein gedankenloser Freund ihn dazu, jeden Morgen gleich nach dem Aufstehen fünfzigmal seine Zehen zu berühren. Am dritten Morgen erschien er nicht zum Frühstück, man ging zu ihm hinauf, und da lag er am Boden und wand sich in den entsetzlichsten Qualen. Sein Herz war in die Leber gelaufen. Slimmo. Es gibt die kleine Flasche und die große Sparpackung. Ich wäre sehr dafür, daß Sie es ausprobieren. Sie bekommen es in Market Blandings, denn durch einen merkwürdigen Zufall habe ich noch am selben Tag, an dem ich die Anzeige in der Zeitung las, ein paar Flaschen in Bulstrodes Schaufenster gesehen, das ist die Apotheke in der Hauptstraße. Es ist komisch, nicht wahr, wie häufg das passiert. Ich meine, man sieht etwas in der Zeitung, und dann sieht man es fast unmittelbar danach wieder. Oh, Clarence! Ich sprach gerade mit Clarence, Sir Gregory. Er ist hereingekommen und blökt irgend etwas vor sich hin. Was ist los, Clarence? Du willst etwas? Er will telefonieren, Sir Gregory, ich muß also aufegen. Auf Wiedersehen. Vergessen Sie nicht den Namen, bitte. Slimmo. Ich würde Ihnen zu der großen Sparfasche raten.«
Sir Gregory entfernte den Hörer von seinem schmerzenden Ohr und hängte ein.
Noch einige Minuten, nachdem die herrliche Stille wie ein lindernder Umschlag gewirkt und die Wunden des Lärms geheilt hatte, beschäftigte ihn lediglich ein einziger Gedanke, nämlich was für Pestbeulen die Angehörigen des sanften Geschlechts sein konnten, wenn sie ein Telefon in die Finger bekamen. Der Apparat schien ihnen wie eine Droge zu Kopf zu steigen. Connie Keeble, zum Beispiel. Eine nette, vernünftige Frau, wenn man sich von Angesicht zu Angesicht mit ihr unterhielt. Sie versuchte nie, das Gespräch an sich zu reißen oder dergleichen, aber sobald sie telefonierte, ging es schnatter, schnatter, schnatter, und dann auch noch über nichts.
Dann aber fragte er sich plötzlich, ob der Wortschwall seiner vormaligen Gastgeberin schließlich und endlich wirklich so ohne jegliche Bedeutung gewesen war, wie er es vielleicht übereilt angenommen hatte. Wie die meisten Männer, die einer Frau am Telefon in die Falle laufen, hatte er seiner Aufmerksamkeit während des gerade beendeten Monologs erlaubt, erheblich abzuschweifen. Sein Unterbewußtsein aber hatte offensichtlich die ganze Zeit über Worte gespeichert, denn jetzt legte es ihm das Wort »Slimmo« zur Überprüfung vor und dann eine Menge interessanter Dinge über das, was Slimmo war und was es bewirkte. Es dauerte gar nicht lange, bis sein Unterbewußtsein ihn vollkommen ins Bild gesetzt hatte. Der Gedanke, sein Ziel durch ein Abmagerungsmittel zu erreichen, war Sir Gregory noch nicht gekommen. Jetzt aber, nachdem sich diese Alternative vorgestellt hatte, wurde sie immer reizvoller, je länger er über sie nachdachte. Das Bild seiner selbst, wie er sich ungestraft mit einem Humpen Slimmo an seiner Seite über die kohlehydratreichsten Nahrungsmittel hermachte, beglückte ihn.
Es gab auf dem Wege zu seiner Glückseligkeit nur ein einziges Hindernis. Kurz gesagt: Um den festlichen Humpen mit Slimmo füllen zu können, mußte man das verfixte Zeugs erst einmal haben, und Sir Gregory, ein empfndsamer Mann, schreckte davor
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