Schweine zuechten in Nazareth
Duchêne an Harry Rosenmerck
Paris, 15. Juni 2009
Lieber Harry,
gestern Abend war ich bei David und seinem Freund eingeladen.
Es war hart für mich.
Ich habe es dir nie gesagt, denn deine Ablehnung unseres Sohnes hat mich daran gehindert, auch nur den kleinsten Schmerz zu zeigen, aber jetzt bin ich in Tränen aufgelöst. Es ist befremdlich für eine Mutter, zuzusehen, wie ihr eigener Sohn seine Hand auf die eines anderen Mannes legt. Eines Mannes, den ich hätte lieben können. Eines Mannes, den unsere Tochter hätte berühren können. Ich kann das heftige Gefühl, das über mich kommt, gar nicht in Worte fassen. Annabelle ist überzeugt, dass ich voll auf meine Kosten komme, ganz die bescheuerte Mutter, die die einzige Frau im Leben ihres Sohnes sein möchte. Vielleicht ist es sogar wahr. Vielleicht bin ich für die Grenzen in seinem Leben verantwortlich. Und für die, die er überschritten hat.
Ich wollte es dir sagen, damit du nicht glaubst, ich hätte kein Problem damit. Ich kenne das Leid, das dich bedrängt. Aber ich liebe David, und ich will, dass er sich beschützt und geliebt fühlt, egal was er tut.
Das Leben ist kurz, Harry.
Für mich könnte es sehr kurz sein. Frag nicht weiter. Ich werde kämpfen. Und du bist es, an den ich heute denke, als ich die Praxis von Maurice verlasse, Maurice Blet, mit dem du, wie es scheint, Medizin studiert hast. Selbst in Momenten des Grauens gibt es noch die Anekdote. Wirst du für David da sein, wenn ich nicht mehr gesund werde? Wirst du da sein?
Monique
Harry Rosenmerck an Rabbi Moshe Cattan
Nazareth, 17. Juni 2009
Lieber Moshe,
glaubst du, dass man mehrmals in seinem Leben liebt? Glaubst du, dass man ständig liebt, aber immer nach einer Unterstützung für dieses Gefühl sucht? Für dieses Gefühl, das immer in uns ist, egal was kommt? So wie man atmet, aber mit mehr oder weniger Glück, Leichtigkeit, je nach Luft, je nach unseren Ãngsten und unseren Problemen.
Warum binden wir die Liebe an das Begehren? Ja, ich weià wohl, welche verfluchten Gründe es dafür gibt. Und die Familie, und die Wollust. Eure religiösen Gründe.
Wie ich es hasse, Geisel dieser jüdisch-christlichen Kultur zu sein!
WeiÃt du, lass es dir von mir als Kardiologen gesagt sein: Es gibt nicht die kleinste geheime Schublade, in der die Liebe stecken könnte. Wo zum Teufel soll man sie hinpacken?
Harry
Rabbi Moshe Cattan an Harry Rosenmerck
Nazareth, 19. Juni 2009
Lieber Harry,
aus Pusteln sind Krusten geworden und alles verschwindet wie durch Zauberhand. Auch der Regen ist nichts weiter als eine Erinnerung. Ich muss wieder gieÃen.
Ja, natürlich habe ich die Zeitungen gelesen und gesehen, dass drei unserer Kinder in dem Bus gestorben sind. Der Terrorist war 18 Jahre alt. Ich weià nicht, ob Beutel mit Schweineblut an der Sache etwas geändert hätten.
Ich habe auch unsere Vergeltungsschläge zur Kenntnis genommen, unsere Grenzen, die dichter werden. Unsere Mauer scheint sich über uns zu schlieÃen, als hätten wir unser eigenes Grab gebaut. Ich habe Angst, Harry, wie jedes Mal, obwohl ich hier geboren bin.
David Grossmann sagte: »Es ist eine groÃe Versuchung, stark zu sein und sich einzureden, man sei schwach.« Als die Palästinenser das Abkommen von Camp David ablehnten, wo wir uns doch schon mit dem Gedanken abgefunden haben, ihre Fahnen über Ost-Jerusalem wehen zu sehen, wurden wir, die Israelis, in der Meinung bestärkt, dass wir Recht hatten. Die Tatsache, dass sie die Teilung nicht akzeptierten, bewies, dass sie den Frieden ablehnten.
Aber so einfach ist das nicht. Manchmal empfange ich in meinem Büro Paare, die sich scheiden lassen wollen. Die gekränkten Frauen, die man zu besänftigen glaubt, indem man ihnen Geld gibt, fühlen sich gedemütigt. Sie wollen etwas anderes. Aber das, was sie wollen, kann ihnen keiner geben. Sie wollen mit einer neuen Seele und mit unverbrauchten Illusionen wieder von vorne anfangen. Die Palästinenser sind stolz, aber sie kämpfen dafür, etwas wiederzugewinnen, was tot ist: die Vergangenheit. Selbst wenn sie eines Tages das ganze israelische Territorium hätten, würden sie nicht zufrieden sein.
Was uns betrifft, dienen uns ihre ungeschickten und oft schändlichen Aktionen zur Rechtfertigung unserer Taten. Und so reden wir uns ein, wir, die wir mit unseren Panzern und unseren Bomben
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