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Schweine zuechten in Nazareth

Titel: Schweine zuechten in Nazareth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Sthers
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wollten, dass wir nun davon überzeugt sind.
    Man muss sich nur die Gleichgültigkeit ansehen, mit der der Friedensvorschlag der Arabischen Liga 2002 aufgenommen wurde. Es ist wie ein Überlaufbecken voller Familiengeschichten. Die vielen jungen Juden, aus Algerien eingewandert, die der Meinung waren, Rache nehmen zu müssen an den Arabern, von denen sie von zu Hause fortgejagt wurden; die Russen, die ins Gelobte Land kommen, den Rassismus ihrer Väter im Gepäck, voller Angst …
    Kurzum, wir sitzen in der Scheiße. Was versucht man uns einzureden? Wie soll man vorgehen? Ich tendiere dazu, für passiven Widerstand zu plädieren, für Bildung, für Teilen. Wenn meine Großmutter mir von ihrer Heimat Tunesien erzählte, erinnerte sie sich an offene Türen, an gemeinsames Essen, mal bei den einen, mal bei den anderen. Die Araber waren ihre Cousins.
    Lieber Gruß,
    Moshe
    P. S. Ich lege dir ein Foto meines Sohnes Simon bei, in seiner Soldatenuniform. Man könnte meinen, ein verkleidetes Kind mit seiner Waffensammlung. Ich mache immer wieder Fotos von ihm. Bestimmt, weil ich Angst habe, ihn zu verlieren. Nicht nur, weil er sterben könnte – ich habe Angst, sein Gesicht könnte sich für immer verändern.

Monique Duchêne an Harry Rosenmerck
    La Capelle-Masmolène, 4. Juli 2009
    Lieber Harry,
    ich bin in dem Haus meiner Eltern. Ich sage das so, als könnten sie hier jeden Augenblick auftauchen. Unsere Kinder werden vielleicht eines Tages das Gleiche empfinden, hier, in diesem Haus.
    Erinnerst du dich an unser erstes gemeinsames Wochenende hier? Natürlich hatte Mama für das erste Dinner mit meinem jüdischen Freund einen Schweinebraten vorbereitet. Sie schwor, dass sie nicht wusste, dass Juden kein Schweinefleisch essen, oder dass sie es vergessen hatte … Heute lache ich darüber, aber damals hat es uns fast auseinander gebracht …
    Das Wetter hier ist schön, wie immer. Und Pinienduft lullt mich ein. Stell dir vor, La Capelle und Masmolène, die beiden Dörfer, die sich damals gehasst haben, bilden nun eine einzige Gemeinde. Die Bürgermeisterei wurde ganz genau zwischen den beiden Teilen gebaut. Die Leute hassen sich immer noch, aber sie leben in ein und demselben Dorf. Sie sind sich nur in einer Sache einig, die sie verbindet: die Zuneigung, die sie dem Bürgermeister entgegenbringen.
    Der Feigenbaum, den du gepflanzt hast, sah letzte Woche abgestorben aus, er war erledigt, fast am Boden. Nachdem ich ihn mit Stricken hochgebunden habe (als würde ich ihn ans Leben fesseln), und nachdem ich eine Rinne um ihn herum gegraben und sie mit Wasser gefüllt habe, erschienen kleine grüne Triebe, und winzige Feigen zeigen sich nun an den Zweigenden. Es liegen noch abgestorbene Früchte um den Baumstamm, die wie verblassende Erinnerungen im Boden verschwinden. Und diese alten Blätter, die im Wind flattern. Es war nicht einfach. Und noch ist nichts gewonnen. Aber dieser Baum ist wie ich und seine Wurzeln sind im Boden meines Hauses. Wenn er wieder austreibt, wenn er Früchte bringt, vielleicht kann ich das auch?
    Dein Baum gibt mir Kraft, so wie die Blicke unserer Kinder.
    Ich fahre morgen wieder zurück nach Paris, um David zu treffen, der bald bei dir sein wird …
    Monique

Harry Rosenmerck an Rabbi Moshe Cattan
    Nazareth, 18. Juli 2009
    Lieber Moshe,
    ehe man sich versieht, sind die Kinder groß. Ich bin dankbar, dass meines nicht Krieg spielen muss.
    Aber seine Mutter ist krank. Sie wird sterben. Ich habe Angst, als hätte ich es mit einem Neugeborenen zu tun, bei dem ich nicht weiß, wie man das Fläschchen gibt oder die Windel wechselt. Und doch sind meine Kinder groß. Ich würde gern von der Hochzeitstorte meiner Tochter essen.
    Ich bin durcheinander heute Morgen. Ich habe von meiner Mutter geträumt und es wirkte so real.
    Sie sagte mir, ich solle mich mit meinem Sohn David versöhnen. Ich habe Ihnen noch nie von ihm erzählt.
    Mama sagte immer wieder: »Wenn du nicht aufstehst und ihn in deine Arme schließt, werde ich dich nie wieder besuchen.« Woraufhin ich ihr geantwortet habe, dass sie tot sei. »Wetten nicht«, sagte sie und verpasste mir eine kräftige Ohrfeige, die sehr weh getan hat.
    Heute Morgen wachte ich mit einem riesigen roten Fleck auf der Wange auf.
    Harry
    P. S. Du siehst, manchmal sieze ich dich, unbeabsichtigt.

Rabbi Moshe Cattan an Harry Rosenmerck
    Nazareth,

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