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Schweine zuechten in Nazareth

Titel: Schweine zuechten in Nazareth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Sthers
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sitzen.
    UndheuteMorgenleseichdieZeitungundeswirdmirfastübel.HabenSiedasüberdengelynchtenFamilienvatergelesen?ErwurdeheuteMorgenamStrandtotaufgefunden.GetötetvonzweiisraelischenArabernundzweijüdischenFrauen,einevonihnenSoldatinderisraelischenArmee.
    HätteichheuteimmernochdenWunsch,fürdiesesLandinsFlugzeugzusteigen?IstesimmernochmeineFamilie?WelcheReligionwirdunsvorunsselbstbeschützen?
    Ich kann nicht umhin, Trauer um einen Cousin zu empfinden und mich für die Mörder zu schämen, ich fühle mich fast verantwortlich. Israel macht nur Sinn für die Diaspora, die hier ihren Schutzraum findet. Diejenigen, die hier geboren sind, verstehen nicht den Wert dieses Landes, das mehr wert sein soll als sie und sie überfordert. Sie reproduzieren die inhumanen Bedingungen, die uns dazu veranlasst haben, ein Refugium zu erschaffen. Welche Arroganz! Welche Naivität! Welche Vermessenheit! Menschliche Wesen sind menschliche Wesen! Wir sind wie alle Anderen. Möge Gott uns davor bewahren, unseren Hitler zu finden, wie es bei den Iranern geschah! Die Barbarei schlummert in jedem von uns. Bestimmt auch in mir. Worin wäre ich denn anders? Das ist es, was mich lähmt, was mich schreien, weinen, helfen lässt. Aber was tun, Moshe? Lieber Moshe, ich fühle mich traurig und alt heute Morgen, ich habe Angst vor dieser Welt, die auf unsere Kinder wartet.
    Harry

Rabbi Moshe Cattan an Harry Rosenmerck
    Nazareth, 16. Juni 2009
    Lieber Harry,
    nur drei von sechs hatten die Windpocken. Ich pflege meine Locken und antworte Ihnen in Würde. Dieser sintflutartige Regen macht mir Angst. Mitten im Juni, in Israel. Und dann diese nie endende Hitze. Zwischen den Pusteln und dem tropischen Klima bin ich darauf gefasst, jeden Moment einen Schwarm von Heuschrecken auftauchen zu sehen. Ich lese wohl zu viel in der Bibel.
    Moshe
    P. S. Meine Tochter kratzt sich. Sie ist hässlich. Und da ich Rabbi bin, kenne ich kein christliches Mitgefühl.

David Rosenmerck an Harry Rosenmerck
    Paris, 15.  Juni 2009
    Lieber Papa,
    ich habe angefangen, einen Roman zu schreiben. Du hattest ja immer schon gesagt, dies sei »die einzig wahre Literatur«, anders als das Theater.
    EsistdieGeschichteeinesMannes,derseinenZugnichtnahm.SeinganzesLebenwardarinundseinLebenlächelteihmzu,abererhatesmitdemZugdavonfahrenlassen.Underschauteihnennach,seinerFrau,seinenKindern,seinemLeben,diesemZug,dersichinderFerneverlor,unddieserSchmerzhatihmwohlgetan.Erhatnichterwogen,dennächstenZugzunehmen;manholtseinLeben,dasdavonzieht,nichtein,manschlägteinenanderenWegein,undaufdiesemWeg frage ich mich: Wird mein Held wirklich er selbst sein?
    Ob es eine Handlung gibt? Die Art von guter Geschichte, die, einmal erzählt, alle anderen zum Schweigen bringt?
    Ich lebe mit Dutzenden von halbbeschriebenen Heften und mit genauso vielen abgebrochenen Leben. Bald ist es soweit, Israel, nur noch ein paar Mal schlafen.
    David

Von: [email protected]
    An: [email protected]
    Datum: 15. Juni 2009
    Betreff: Eine Melodie und Wodka
    David,
    es regnet und regnet. Ich vergesse manchmal, wo ich gerade bin. Alles ist so seltsam hier. In der Nacht klingt das Getrippel der Schweine auf den Holzbohlen wie ein Tanz.
    Klick mal auf den folgenden Link: http://www.youtube.com/watch?v=Ch68oGw5swg. Diese Musik ist für dich. Ich habe sie heute Nacht am Piano komponiert.
    Schreibst du immer noch mit einem Kopfhörer auf den Ohren und einem Wodka in der Hand?
    Du fehlst mir.
    Manchmal fühle ich eine Sehnsucht, die mich erstickt, eine Sehnsucht nach der Zeit, in der wir bei Mama gelebt haben. Wir haben Partys gefeiert. Ich schicke dir eine Single, die dir bestimmt Spaß machen wird.
    Ich denke immer wieder an unsere Gespräche auf dem Schulweg, an die Umwege, die wir gegangen sind, nur um mit Jérémie Lucas zu gehen. Ich dachte, du hast es mir zuliebe gemacht. Es hat ein bisschen gedauert bis ich begriff, dass er dir genauso gefiel wie mir!
    Als ich Paris verließ, um nach New York zu gehen, dachte ich, dass ich bei meiner Rückkehr alles so vorfinden würde wie es vorher war.
    Mir war nicht bewusst, dass die Zeit, der alles egal ist, meine Kindheit zermalmen würde. Vielleicht bin ich deshalb nie zurückgekommen. Man kehrt zurück, um etwas wiederzufinden. Aber ich hatte Angst vor unseren leeren Kinderzimmern und vor Mama in der Stille dieser Wohnung.
    Bist du glücklich, David?
    Deine Schwester

Monique

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