Schweine zuechten in Nazareth
Kind. Ich weià nicht, von wem. Ich verdächtige jeden meiner Schweine-Angestellten. Alle meine Viecher sind auf den Tellern oder in Supermarktregalen gelandet. Ich will nicht mehr zurück, weder nach Nazareth noch dahin, was ich einst für mein Haus hielt. Was meinen Sohn betrifft, so war er vorher wenigstens für seine Mutter von Nutzen, aber jetzt, wo sie krank ist, ist er verschwunden. Kurzum, ein schlechter Fernsehfilm.
Zum Glück habe ich die wackere Laitrockva, die meine Tochter aufgetrieben hat und die so hässlich ist wie die Nacht, wenn du es genau wissen willst. Sie kocht für mich wahre Festmahle, also esse ich, ich esse.
Und bei dir, lieber Moshe Soleil? Neue scharfe Schnecken in der Gemeinde? Anzeichen für die bevorstehende Ankunft des Messias? Wird sich das Meer demnächst wieder teilen? Das alles interessiert mich brennend.
Jeden Tag laufe ich ein bisschen mehr. Ich hoffe, im Heiligen Land geschehen noch Zeichen und Wunder. Ich gedenke in sechs Monaten beim Marathon in New York mitzumachen, gesponsert von einem Würstchenhersteller, und wenn die Dinge nicht schnell genug vorankommen, gehe ich nach Lourdes. Besuch mich mal, Laitrockva macht uns gegrillte Rotbarben und wir werden Karten spielen. Keine Lust mehr auf Schach, ich bin zu gut für dich.
Lieben Gruà an deine überaus reizende Gemahlin. Ich werde für dich einen schönen Roth aussuchen.
Dein Freund Harry
P. S. Neuigkeiten von deinem Sohn, dem Soldaten?
Annabelle Rosenmerck an Harry Rosenmerck
Paris, 1. Oktober 2009
Lieber Papa,
ich hoffe, dass die füllige Dame mit dem unaussprechlichen Namen nett zu dir ist und dass du dich anstrengst, ein bisschen zu laufen. Bald kommt alles wieder in Ordnung und du kannst mit neuem Elan eine Schneckenzucht im Burgund aufmachen. Das passt doch zu deinen Vorlieben, oder? Es ist weder koscher noch halal. Sie sind eklig und du kannst ihnen hinterherlaufen.
Ich versuche Witze zu reiÃen, wo ich nur kann, über alles zu lachen. Je mehr Schritte du machst, desto weniger schafft Mama. Wenn du sie nur sehen könntest. Sie ist so dünn, so zerbrechlich. Und mein Bauch wird immer runder. Ich habe das schreckliche Gefühl, von ihrem Leben zu rauben, um mein Baby damit zu nähren.
Ich habe eine einzige Mail von David in zwei Monaten bekommen, und bei Mama meldet er sich gar nicht. Ich weià nicht mehr, ob sie an einem Tumor stirbt oder aus Sehnsucht nach ihrem Sohn. Was ich weiÃ, ist, dass sie nur noch ein Schatten ihrer selbst ist, und dass ihr Humor immer gröÃer wird, so wie ihre Kleider, die an ihr herunterhängen.
Ich werde dir ihre Blutwerte schicken. Du wirst mir doch die Wahrheit sagen, nicht wahr? Ich habe den Eindruck, dass die Ãrzte mich anlügen, dass sie mich schonen wollen. Manche sagen ein Jahr, andere wollen sich nicht festlegen. Aber alle reden vom Ende.
Sie redet über dich, über euch, als wären es die besten Jahre ihres Lebens gewesen. Sie will in koscheren Restaurants essen. Sie hat eure Streitereien und den ganzen Rest vergessen. Sie strickt für mein Baby. Sie liest wieder Bukowski, bis ihre Augen ganz müde werden. »Das ist meine Dekadenz«, sagt sie. Und immer wieder strickt sie, sie strickt gegen die Zeit an.
Bis bald, Papa,
Annabelle
Harry Rosenmerck an Monique Duchêne
Tel Aviv, 5. Oktober 2009
Meine Monica,
heute Nacht habe ich geträumt, dass ich dich zum Tanzen ausgeführt habe. Du hattest einen Rock an und ich konnte mit Leichtigkeit laufen. Ich habe sogar eine kleine Stepp-Einlage hingelegt.
Ich bete, weil ich näher an Gott dran bin als du. Ich habe ihn gebeten, dich zu heilen und ich habe ihm versprochen, dass, sollte er es machen, wir darüber mit niemandem reden würden, wir machen daraus keinen Bestseller, nicht einmal eine Anekdote beim Dinner in der Stadt.
Ja, die Dinner in der Stadt ⦠es scheint Jahrhunderte her zu sein. Erinnerst du dich an die vielen sterbenslangweiligen Abende bei meinen Kollegen in Paris oder in London?
Du hattest immer hochhackige Schuhe an, du warst so hübsch. Ich versuchte dir in den Aufzügen den Rock anzuheben und du kichertest. Wir machten nichts, um nicht zu spät zu kommen oder um nicht erwischt zu werden. Und danach war es schon sehr spät. Danach ist es immer sehr spät. Man hat getrunken. Man ist verheiratet. Die Dinge würden morgen immer noch da sein â¦
Und nun bin ich hier, Gefangener meiner alten
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