Schweinehunde / Roman
Pause.«
Anni Staal lächelte selbstironisch.
»Ich eigentlich auch nicht.«
»Und warum haben Sie die dann gekauft?«
»Weil wir etwas Persönliches besprechen müssen und weil wir Dänen sind. Ohne Bier geht das doch nicht, oder?«
Anita Dahlgren sah diese Logik ein, niemand durfte sein kulturelles Erbe verleugnen. Sie goss sich etwas ein und trank einen Schluck, ohne ihrer Chefin zuzuprosten. Das wäre zu viel des Guten gewesen. Auch Anni Staal trank, bevor sie sich mit dem Handrücken den Mund abwischte.
»Sie mögen mich nicht, oder?«
Die Frage war überflüssig. Beide kannten die Antwort, die entsprechend klar und knapp ausfiel: »Nein, ich mag Sie nicht. Sie sind tüchtig, und ich kann von Ihnen lernen, aber deswegen muss ich Sie ja nicht mögen.«
»Tja, da sind Sie nicht die Einzige, aber mit der Zeit habe ich gelernt, damit zu leben.«
»Auf arroganteste Art und Weise.«
»Wenn Sie meinen. Ich habe mich nicht an Ihren Tisch gesetzt, um mich mit Ihnen zu streiten.«
»Warum dann?«
»Sie haben eine richtig gute Quelle im Morddezernat, nicht wahr?«
»Erwarten Sie darauf wirklich eine Antwort?«
»Beachten Sie, dass ich Sie nicht gefragt habe, wer es ist, nur, ob Sie dort eine Quelle haben. Aber okay, ich kann mir natürlich denken, um wen es sich handelt, deshalb brauchen Sie mir darauf nicht zu antworten. Ich gehe einfach mal davon aus, dass es so ist.«
»Sie haben doch selbst Ihre Quellen.«
»Das spielt jetzt keine Rolle. Wie ist Ihre Einstellung zu diesen Pädophiliemorden?«
»Auch das wissen Sie ganz genau.«
»Seien Sie nicht so störrisch, sondern nennen Sie mir kurz und knapp die für Sie wichtigsten Aspekte.«
»Gerne. Meine jetzige Tätigkeit stellt mit ihrem Aufruf zur Selbstjustiz und Pöbelherrschaft einen neuen Tiefpunkt dar, die Hexenjagd auf die Pädophilen ist ekelerregend, aber wir lassen keine Gelegenheit aus, dazu beizutragen, dass sich die Lage noch weiter verschlimmert. Die Politiker führen schon so etwas wie einen Wettbewerb um die schwammigsten Formulierungen, damit sie nicht die Gunst ihrer dümmsten Wähler verlieren.
5, 6, … 10, 20, 200, 1000, das sind Tiere, keine Menschen, lasst sie uns ausrotten.
Wo habe ich das nur schon einmal gehört?«
Anni Staal wurde wütend, obgleich sie sich vorgenommen hatte, ruhig zu bleiben, sie war verletzt. Die historische Parallele, die dieses Mädchen zog, durchbohrte sogar ihre ach so abweisende und glatte Fassade. Trotzdem achtete sie darauf, dass sie nicht zu gereizt wirkte.
»Ich rufe nicht zur Gewalt auf, aber sicher auch nicht zur Vergewaltigung von Kindern. Und ganz und gar nicht dazu, sich Kinder aus Katalogen zu bestellen wie irgendein Sonderangebot. Dieses Video kann doch auch Sie nicht kaltlassen?«
Anita Dahlgren zuckte resigniert mit den Schultern. Die Diskussion war überflüssig.
»Was glauben Sie eigentlich, wovon wir leben? Haben Sie sich in der letzten Zeit einmal die Verkaufszahlen angesehen?«
»Nein, aber dafür die Berichte über die Misshandlungen und Prügeleien im ganzen Land, die in der morgigen Ausgabe – aus Platzgründen – natürlich irgendwo im hinteren Teil erscheinen werden.«
Die Verärgerung troff aus jedem ihrer Worte.
»Sagen Sie mal, warum suchen Sie sich nicht einen anderen Broterwerb?«
»Woher wollen Sie denn wissen, dass ich das nicht längst tue?«
»Okay, davon weiß ich natürlich nichts. Haben Sie unsere neue Meinungsumfrage gesehen? Die war gestern auf der Webseite.«
»Nein, glücklicherweise nicht.«
»Frage:
Wünschen Sie sich tief in Ihrem Inneren, dass die Pädophiliemorde aufgeklärt werden?
Raten Sie mal, wie das Ergebnis ausgefallen ist!«
»Lieber nicht.«
»Vierundsechzig Prozent nein, achtundzwanzig Prozent weiß nicht, acht Prozent ja. Das kommt auf die Titelseite.«
»Hätte ich mir ja auch denken können, wir füttern die Hunde mit ihrer eigenen Galle.«
»Wie meinen Sie das?«
Anita Dahlgren antwortete nicht gleich, sondern trank erst einen Schluck Bier. Die Flasche war beunruhigend schnell leer geworden. Sie lächelte freudlos.
»Egal, können Sie mir nicht sagen, was Sie von mir wollen?«
»Ihre Hilfe. Ich denke, dass die Einstellung der Leute hierzulande für die Polizei im Augenblick wohl das größte Problem ist. Die Mordkommission hat nicht nur die Aufgabe, diesen Fall aufzuklären, sie muss auch gegen die Presse ankämpfen. Anders ausgedrückt, gelingt es ihr nicht, die Stimmung im Volk zu ändern, werden die Widerstände immer
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