Schweinehunde / Roman
andere Frauen und verbrachte die Ferien meistens allein. Per hat mir geholfen: Er hat mir gesagt, wann ich welche Kämpfe ausfechten sollte und welche bis auf weiteres lieber nicht. Er konsultierte Jeremy, ich konsultierte ihn, und letzten Endes haben wir alle davon profitiert. Also bis dieses … Verbrechen geschah. Dann starb Per, und die Zeitungen schrieben alles Mögliche über ihn. Es war eine harte Zeit. Ich war frustriert, wütend und traurig, alles zur gleichen Zeit, und er fehlt mir so schrecklich, viel mehr als Jeremy. Trotzdem habe ich es nicht geschafft, auf seine Beerdigung zu gehen. Ich habe ihm aber am Tag danach einen Blumenstrauß aufs Grab gelegt.«
Die Comtesse bemerkte leise: »Vielleicht ja auch, weil Sie den Zusammenhang erkannt haben und nicht in den Fall hineingezogen werden wollten?«
Emilie Mosberg Floyd schielte zu dem Aufnahmegerät hinüber und begnügte sich mit einem Nicken. Sie ließen es dabei bewenden.
Konrad Simonsen sagte: »Es fällt mir schwer zu glauben, dass Sie nie darüber gesprochen haben, wie seine Therapie gelaufen ist. Weder mit Per noch mit Ihrem Mann.«
»Das kam wirklich nur ganz selten vor. Per wollte das immer für sich behalten. Und für Jeremy galt das Gleiche, er hasste es ohnehin, dass ich mit Per redete, aber das musste er ganz einfach akzeptieren. Als ich ihm das gesagt habe, wurde er so wütend, dass er sogar damit gedroht hat, Pers Behandlung abzubrechen, aber ich habe es darauf ankommen lassen, zum ersten Mal. Hätte er das getan, wäre ich mitsamt den Kindern ausgezogen. Er hat sich gefügt, und das war mein erster Sieg, später sind noch ein paar andere hinzugekommen.«
»Aber hin und wieder haben Sie trotzdem über Per Clausen gesprochen?«
»Ja, das kam vor. Wenn Jeremy die direkten Gespräche mit seinen Patienten beendet hatte, brachte er sie gerne in Selbsthilfegruppen unter. Wie lange es dauerte, bis ein Patient Teil einer solchen Gruppe werden konnte, variierte stark von Person zu Person. Bei manchem dauerte es nur ein halbes Jahr, bei anderen zwei. Jeremy hat diese Gruppen sehr, sehr sorgsam zusammengesetzt. Er wollte alles tun, damit seine Patienten Erfolg hatten, und dafür spielte für ihn auch die regionale Komponente eine wichtige Rolle. Die Patienten kamen häufig von weit her, manche sogar aus Jütland. Eine Gruppe bestand in der Regel aus vier bis sechs Personen, anfänglich haben sie sich bei Jeremy getroffen und unter seiner Leitung miteinander gesprochen. Danach sollten sie dann privat ohne seine Hilfe funktionieren. Er hat ihnen so in gewisser Weise den Weg nach draußen geebnet, ein Prozess, der Monate dauern konnte, aber auch das war von Gruppe zu Gruppe unterschiedlich.«
»Und Per Clausen war in einer solchen Selbsthilfegruppe?«
»Genau das war das Problem. Ich habe ein paarmal mit Jeremy darüber geredet. Er zögerte damit, Pers Behandlung auf diese Weise abzuschließen. Per selbst wollte hingegen sehr gern in eine solche Gruppe, das hat er mir mehrmals gesagt, und ich habe Jeremy etwas unter Druck gesetzt.«
Sie sah sich traurig im Zimmer um. »Ja, ich fürchte, er hat das nur getan, weil ich ihn unter Druck gesetzt habe, andererseits wollte er Per gerne loswerden. Nicht nur als Patienten, sondern er wollte auch, dass er aus unserem Leben verschwindet. Es fiel ihm in Pers Fall nicht gerade leicht, Familie und Beruf zu trennen.«
»Warum hat er gezögert? Weil Per Clausen nicht selbst missbraucht worden war?«
»Nein, er hatte andere Gründe. Zum einen hatte er Angst, dass Per die Gruppe dominieren würde, und diese Sorge war durchaus naheliegend. Per hatte wie gesagt eine ungeheure, manipulative Kraft, aber das war nicht das Schlimmste, vielmehr … hasste Per Pädophile. Es war ein tief sitzender, glühender Hass. Einmal haben wir über Helenes Stiefvater gesprochen, der damals schwer krank war. Per teilte mir das mit und freute sich richtig. Ich weiß nicht, woher er diese Information hatte. Ein andermal war bei einem dieser fürchterlichen Verbrechen ein Kind zu Tode gekommen. Pers Reaktion war beinahe krankhaft. Er ist nicht wütend geworden, sondern eher im Gegenteil, er war sehr … sehr kontrolliert. Mir hat das richtiggehend Angst gemacht, ohne dass er wirklich etwas gesagt hat. Das ist schwer zu erklären, es war … ich weiß nicht, wie ich Ihnen das erklären soll … einfach unangenehm. Diese Seite von ihm gefiel mir gar nicht, aber vielleicht war das ja sein wirkliches Ich. Jeremy hat einmal gesagt,
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