Schweinehunde / Roman
weil so ein pensionierter Tattergreis ein vages Gefühl hatte, das angesichts der Senilität des Alten jedweder Grundlage entbehrte. Aber er hielt dicht.
»Warum bittet ihr nicht darum, vorübergehend an einem anderen Fall …«
Pauline Bergs Vorschlag war freundlich gemeint. Auch sie hatte Probleme, ihre ungläubigen Gesichter ließen sie aber verstummen.
»Sollen wir ihn mit diesem Scheiß hier allein lassen?«
Poul Troulsens Handbewegung in Richtung Konrad Simonsen war fast ehrerbietig. Arne Pedersen stand auf und schob Pauline Berg vor sich her. Im Stillen entschuldigte er ihr Verhalten. Sie stammte aus einer anderen Generation, die vielleicht weniger in Frage stellte, vielleicht aber auch einfach nur dümmer war.
Auf der anderen Seite der Scheibe verlief das Verhör von Emilie Mosberg Floyd ohne größere Probleme. Die Frau war zur Zusammenarbeit bereit. Ohne zu zögern, wiederholte sie, was sie schon Poul Troulsen gesagt hatte. Sie nahm sich Zeit und ging bereitwillig auf Gefühle und Stimmungen ein, wenn sie danach gefragt wurde. Fand sie eine Frage schwierig, dachte sie mitunter lange und gründlich nach. Diese Pausen hatten nichts Peinliches, und sowohl Konrad Simonsen als auch die Comtesse warteten, wie auch jetzt, geduldig auf ihre Antwort.
»Ich glaube eigentlich nicht, dass es sonderlich relevant ist, ob er wirklich mit dem Trinken aufgehört hat oder nicht. Per war Alkoholiker, als ich ihn aufsuchte, daran hege ich keinen Zweifel, er hat seinen Job nur noch mit Mühe geschafft, und ihm war alles egal. Sein Leben zerbrach mit Helenes Tod, und vermutlich hat er sich selbst bestraft, indem er seine Gesundheit und seine Psyche zugrunde gerichtet hat. Aber die Gespräche, die er mit Jeremy geführt hat, zeigten Wirkung. Ich habe ihn, wie gesagt, ein paarmal in Bagsværd abgeholt und ihn gerne auch wieder zurückgebracht. Außer zu Anfang der Behandlung war er danach nie wieder betrunken. Wie es ihm in der Zeit dazwischen ging, weiß ich nicht, es vergingen ja schon mal zwei Wochen, bis wir uns wiedersahen. Deshalb kann ich Ihnen auch nicht sagen, ob er wirklich mit dem Trinken aufgehört hat, wohl aber, dass er sich geändert hat. Sein Leben war ihm nämlich schon bald ganz und gar nicht mehr egal, und er wurde wach und aufmerksam, sehr aufmerksam und …«
Sie suchte nach den richtigen Worten: »Und … wie soll ich das sagen? … sehr klar. Per konnte ein sehr … eindringlicher Mensch sein, fast dominierend. Nein, nicht fast, sondern wirklich dominierend. Er war auf seine ruhige Art sehr intelligent. Manchmal hatte man den Eindruck, dass er demütig und gleichzeitig überlegen war. Eine seltene Eigenschaft. Jeremy war zu Beginn der Therapie so fasziniert von ihm, dass er ihn überredet hat, seine Geschichte auch den anderen Patienten zu erzählen.«
Die Comtesse machte eine spontane Bemerkung: »War das nicht vielleicht umgekehrt?«
»Ich verstehe nicht?«
Sie konnte nicht weiter darauf eingehen, da Konrad Simonsen dazwischenfuhr und fragte: »Hatten Sie und Per Clausen eine sexuelle Beziehung?«
Nur dank ihrer jahrelangen Erfahrung gelang es der Comtesse, ihre Verblüffung zu verbergen. Eine amouröse Verbindung zwischen der Frau und dem Hausmeister war das Letzte, was sie sich vorstellen konnte – allein schon der Altersunterschied ließ die Frage absurd wirken. Dazu kam die unterschiedliche Lebensweise. Zu ihrer großen Überraschung schien Emilie Mosberg Floyd dieser Gedanken nicht fremd zu sein, und sie war auch nicht im Geringsten peinlich berührt.
»Nein, nicht sexuell im herkömmlichen Sinne, wir waren nie im Bett miteinander. Das hätte Per niemals mitgemacht.«
»Aber eine Beziehung hatten Sie?«
»Das kann man wohl so sagen. Ja, ich denke schon.«
Zum ersten Mal seit Beginn des Verhörs war die Frau zurückhaltend, und die Comtesse dankte ihrem Chef innerlich. Wenn er gut war, war er richtig gut. Die Schwachstelle des Psychiaters war natürlich seine Frau gewesen. Langsam begann das Ganze Sinn zu machen. Sie schob die nächste Frage ein.
»Und wenn Sie ihn nach Hause gebracht haben, sind Sie bei ihm geblieben?«
»Anfangs redeten wir im Auto, später sind wir in seine Wohnung gegangen und haben da geredet, manchmal die ganze Nacht. Es kam auch vor, dass ich dort geschlafen habe und er bei mir gesessen ist. Meine Ehe kriselte damals gewaltig, mein Mann war nur noch am Arbeiten und erwartete von mir, dass ich mich zu Hause um absolut alles kümmerte. Außerdem hatte er
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