Schweinehunde / Roman
dass es auf der ganzen Welt nicht Kohle genug gibt, um Pers mentales Porträt zu zeichnen, aber das war während eines Streits, und er hat sicher ein bisschen übertrieben.«
Die beiden Polizisten überzeugte das nicht, aber sie vermieden jeden Kommentar. Hinter dem Spiegel schüttelte Poul Troulsen ärgerlich den Kopf. Die Aussage der Frau unterschied sich ziemlich von der, die sie ihm vor einer Stunde aufgetischt hatte.
Konrad Simonsen fragte: »Das Ende der Geschichte war also, dass Per in eine solche Gruppe kam?«
»Ja, Jeremy besetzte diese Gruppe mit Leuten, die seiner Meinung nach Per Paroli bieten konnten, die also selbst starke Persönlichkeiten waren. Er hat sich darüber ziemlich den Kopf zerbrochen.«
»Aber die Namen haben Sie nie erfahren? Weder von Ihrem Mann noch von Per Clausen?«
»Nein … nein, das habe ich nicht.«
Sie zögerte. Da war noch etwas, und die Comtesse hakte nach: »Aber …«
»Aber … es gab … ein paar Episoden, Per hat einmal erwähnt, dass man über Pädophile ja viel sagen könne, aber ihre Opfer würden wirklich aus allen sozialen Schichten stammen, etwa so hat er sich ausgedrückt, und dann fügte er hinzu:
eine Krankenschwester, ein Bauer, ein Reklameheini, ein Hausmeister und ein Kletterer.
Ich glaube, er hat mir das direkt nach der Gründung der Gruppe gesagt.«
»Ein
Kletterer
– was ist das denn?«
»Das weiß ich nicht, darüber habe ich mich auch gewundert, als ich später noch einmal darüber nachdachte. Ganz spontan dachte ich, er spiele auf Jeremy an, der ja in seiner Freizeit Bergsteiger war, aber er hat sicher jemand anderen gemeint. Per hätte Jeremy niemals als
Kletterer
bezeichnet. Es mag paradox erscheinen, aber vielleicht erinnere ich mich gerade deshalb an diesen Satz. Ja, sogar an die Reihenfolge der Berufe. Ich weiß aber natürlich nicht, ob er alle aufgezählt hat.«
»Gesehen haben Sie die aber nie?«
»Nie, keinen von ihnen, außer Per natürlich. Er ist immer etwas früher gekommen, und dann haben wir in der Küche noch einen Kaffee getrunken – also, wenn ich ihn nicht abgeholt habe, natürlich. Danach ist er dann immer zu Jeremy nach unten gegangen. Die anderen haben den Kellereingang genommen.«
Die Comtesse schüttelte ärgerlich den Kopf. Die Frau missverstand diese Geste und dachte wohl, dass die Polizistin dem Recht der Patienten auf Anonymität kein Verständnis entgegenbrachte. Sie klang plötzlich scharf und belehrend.
»Bricht man die Anonymität zum falschen Zeitpunkt, kann das zu einem therapeutischen Fiasko führen. Ich glaube, Sie sind sich nicht im Klaren darüber, was die sexuelle Kränkung im Kindesalter mit einem Menschen macht und wie tief das in der Seele der Betroffenen steckt. Wussten Sie, dass ein Teil der Pädophilenopfer ihr Leben lang zu speziell ausgebildeten Zahnärzten gehen muss, weil es für sie eine unüberwindliche Grenze darstellt, für jemand anderen den Mund aufzumachen?«
Die Comtesse rechtfertigte sich nicht, sondern begnügte sich mit einer Entschuldigung. Das war am einfachsten. Konrad Simonsen brachte die Frau wieder zum Kern der Sache zurück: »Gibt es noch etwas, das Sie uns über Per Clausens Gruppe sagen können? Irgendetwas, egal, ob Sie das für wesentlich halten oder nicht, wir sind sehr interessiert an allem, was mit diesen fünf Menschen zu tun hat.«
»Ja, das verstehe ich gut, eine Sache habe ich noch. Eine von denen in Pers Gruppe hieß Helle.«
»Die Krankenschwester?«
»Sie hatte einen Pullover im Keller vergessen, und ich wollte Per nach Hause fahren. Wir saßen in der Küche, als sie an der Haustür klingelte. Mein Ältester hat die Tür geöffnet, er war damals gerade erst drei Jahre alt. Ich weiß noch, wie stolz er damals zu uns kam und mir berichtete:
Du, die heißt Helle, und die hat ihren Pullover vergessen.
Per und ich lachten, obwohl der Satz ja eigentlich ganz richtig war. Jeremy hat sich dann um sie gekümmert, und ich habe sie nie zu Gesicht bekommen.«
Sie machte eine von ihren langen Pausen. Die beiden Polizisten warteten, doch dieses Mal vergeblich.
»Mehr weiß ich leider nicht, auf jeden Fall fällt mir nicht mehr ein.«
»Was ist mit dem Archiv Ihres Mannes?«, fragte Konrad Simonsen.
»Habe ich nach Jeremys Tod zerstört. Ich habe die Krankenakten in unserem Kamin verbrannt, ohne mir auch nur eine einzige davon anzuschauen. Es waren ein paar hundert, so dass das mehrere Abende gedauert hat. Vorher habe ich mit einigen seiner Kollegen
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