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Schweinehunde / Roman

Schweinehunde / Roman

Titel: Schweinehunde / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lotte & Søren HAMMER
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Zeit dafür gebraucht. Ich werde morgen vermutlich etwas später kommen, da ich vorher noch eine informelle Sitzung habe. Vielleicht kann ich uns, was diese Sendung angeht, einen verlässlicheren Informanten beschaffen. Das wäre sicher nicht schlecht, denkt man daran, wie langsam und damit uneffektiv unsere offiziellen Quellen im Moment sind. Und last, but not least …«
    Er machte eine kleine Kunstpause, ehe er fortfuhr: »Da es Anzeichen gibt, dass unsere schier unbegrenzten Ressourcen nun doch bald eingeschränkt werden, möchte ich, solange dies noch möglich ist, alle Anwesenden zu einem guten, schweineteuren Essen auf Staatskosten einladen. Und es wird mir persönlich große Freude bereiten, eine Kopie der Rechnung an unsere eiserne Lady vom
Dagbladet
zu schicken. Hat jemand Interesse?«
    Die Comtesse meldete sich, Poul Troulsen hingegen entschuldigte sich. Er schleppte schon seit längerem eine leichte Grippe mit sich herum und fühlte sich seit dem Nachmittag ziemlich schlapp. Deshalb wollte er lieber nach Hause und sich ein bisschen ausruhen. Auch Arne Pedersen musste ihm absagen. Morgen sollte er mit Konrad Simonsen zu Kasper Planck zum Essen, was er jetzt nicht breittreten durfte, aber zwei Abende hintereinander aus privaten und nicht beruflichen Gründen nicht zu Hause zu verbringen, das konnte er seiner Frau nicht zumuten. Blieben also noch Pauline Berg und Malte Brorup. Ein seltenes Mal fasste Pauline Berg die Situation richtig auf und sagte: »Wir können leider auch nicht. Malte hat mir versprochen, dass er sich meinen Computer zu Hause anschaut. Der spinnt total, da muss echt was passieren.«
    Malte Brorup blickte für einen Moment von seinen Formeln auf, als er seinen Namen hörte. Wie gewöhnlich verstand er nur Bahnhof.

[home]
57
    D ie junge Frau saß mitten im Studio auf einem Stuhl. Sie sah aus wie ein Engel, trug eine einfache, helle Leinenbluse und als Schmuck nur eine simple Bernsteinkette, die auf ihrem weißen Hals in sommerlichen Farben leuchtete. Ihre goldenen Locken umrankten ein bildschönes Gesicht, und ihre klaren Augen strahlten vor Leben und nahmen jeden auf den ersten Blick gefangen. Natürlich wie ein Traum, rein und ursprünglich, perfekt, wenn man ihre enge, modische Jeans und die herausfordernden, schwarzen Lederstiefel nicht berücksichtigte. Und darauf achtete die Kamera genau.
    Erik Mørk konnte seine Augen kaum abwenden, sie saugte seinen Blick auf wie die Sonne den Julitau.
    Der Produzent fluchte. Ohne sie direkt anzuschauen, konzentrierte er sich auf einen überdimensionalen TV-Monitor an der Rückwand des Studios, auf dem ihre obere Hälfte wiedergegeben wurde. Dazwischen gab er dem Kameramann und dem Interviewer immer wieder Anweisungen.
    »Wir machen noch mal die Szene mit dem Missbrauch.«
    Das Mädchen protestierte.
    »Ah, das ist jetzt schon mindestens das zehnte Mal.«
    »Nein, es ist das siebte Mal, und du bist gut, richtig gut, du kannst das aber noch besser. Es reicht, wenn wir den Anfang machen, der Rest ist perfekt. Bist du bereit?«
    »Okay, okay, aber danach reicht es dann wirklich.«
    Ihr Gesichtsausdruck änderte sich im Bruchteil einer Sekunde von protestierend zu süß. Der Produzent sagte: »Stichwort: Du bist selbst als Kind missbraucht worden.«
    Der Interviewer gab die Worte wie ein Echo wieder, wenn auch mit mehr Pathos.
    »Du bist selbst als Kind missbraucht worden?«
    Sie schlug den Blick nieder und antwortete nicht. Zwei Tränen liefen über ihre Wangen, aber sie sagte noch immer nichts, und dieses Schweigen dröhnte wie ein Schrei in die Kamera. Dann hob sie den Kopf und wischte sich die Tränen ab. Ihr erster Satz kam zögerlich, vorsichtig und unsicher.
    »Ja, ich wurde als Kind missbraucht.«
    Danach wurde ihre Stimme klarer und fester, wobei sie ein bisschen verwundert klang.
    »Missbraucht, missbraucht nennen Sie das. Das klingt so, als wäre ich gezwungen worden, Zeitungen auszutragen, ohne dass ich dafür Geld bekam. Das ist eine dieser schönen Umschreibungen der Erwachsenen.«
    Jetzt klang sie laut und klar. Anklagend, aber weder hysterisch noch aggressiv.
    »Ich bin vergewaltigt worden. Zum ersten Mal mit neun und das letzte Mal, als ich vierzehn war. Oft, sehr oft – ich hatte eine gute Woche, wenn ich weniger als drei Mal vergewaltigt wurde, und das ging ohne Unterbrechung jahrelang so. Deshalb bin ich heute auch nicht zum Unterricht gegangen, und deshalb interessieren mich auch die Schicksale der Opfer mehr als die der

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