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Schweinehunde / Roman

Schweinehunde / Roman

Titel: Schweinehunde / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lotte & Søren HAMMER
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daran, wie die geheult hat? Die hat so sehr gejammert, dass es Probleme bei der Untertitelung gab, sie hat sich hin und her geworfen, mit den Armen und Beinen gerudert und wie ein angeschossener Schornsteinfeger mit den Augen gerollt. In Wahrheit hat die doch ihre einzige Chance versaut. Das war Millionen von Menschen peinlich, was meinen Sie, wo ihre toten Kinder jetzt sind? Weggezappt, tief hinein ins Vergessen.«
    Er zündete sich die Zigarette an und fügte hinzu: »Sie haben gefragt, was geschehen ist. Aber das, was geschehen ist, handelt von der Zukunft und nicht von der Vergangenheit, deshalb proben wir.«
    Erik Mørk sah die Logik ein. Natürlich hatte er recht.
    »Ich weiß ja. Es fühlt sich nur so … ich weiß nicht … irgendwie schmutzig an.«
    »Sie sind doch in der Reklamebranche?«
    »Ja, das stimmt.«
    »Und wo ist dann das Problem? Sie war von Anfang an phantastisch, durch uns wird sie genial sein. Klar, natürlich müssen wir sie noch stylen, damit es so aussieht, als trüge sie kein Make-up, aber das machen wir erst übermorgen, wenn es ernst wird. Sie kriegen dann auch ein paar Exklusivbilder für Ihre Homepage. Schwarzweiß, glaube ich, sie ist eher der Schwarzweißtyp. Und warten Sie, bis Sie den Film gesehen haben, Sie werden begeistert sein.«
    Die junge Frau stand neben ihm und schien sich rechtschaffen zu langweilen. Plötzlich sagte sie: »Sagen Sie mal, haben Sie Ihr Hirn eigentlich zu Hause gelassen? Per Clausen meinte doch, Sie seien so klug. Natürlich muss ich proben. Haben Sie das mit Ihrer toten Schwester etwa nicht geprobt?«
    »Woher wissen Sie das?«
    »Tja, was glauben Sie? Weil ich da war, als Sie von ihr erzählt haben. Also, haben Sie geprobt, oder nicht?«
    »Ja, schon … aber das war irgendwie anders.«
    Sie ließ ihn mit einem Schulterzucken stehen und fragte ungeduldig: »Können wir nicht bald weitermachen? Ich krieg von diesen Steinzeitklamotten noch die Krätze!«

[home]
58
    I n der Halle des Bahnhofs Østerport kaufte Konrad Simonsen sich einen Kaffee und stellte sich an einen der hintersten Tische der Cafeteria. Der Morgen hatte so angenehm begonnen, doch dann war der Tag gekippt. Dabei waren die Erinnerungen an den phantastischen Abend mit der Comtesse noch ganz frisch. Sie hatten vereinbart, dass sie so bald wie möglich wieder miteinander ausgehen wollten, und er war gutgelaunt und mit einem wohligen Gefühl im Körper aufgewacht. Im Bad hatte er sogar gesungen, was er seit Jahren nicht mehr getan hatte. Doch die Post, die auf ihn wartete, als er aus dem Haus trat, hatte seine Welt in tausend Stücke zerspringen lassen.
    Der Brief war von Per Clausen. Der gelbe DIN-A4-Umschlag war am gestrigen Tag in Fredericia abgestempelt worden und enthielt sechs unscharfe Fotografien von Anna Mia. Auf einem der Bilder kam sie gerade aus der Haustür, zwei zeigten sie, wie sie ihr Fahrrad aufschloss, und auf den anderen drei hatte der Fotograf sie frontal von vorn auf ihrem Fahrrad aufgenommen. Danach folgten zwei Zeilen aus einem Psalm, den Konrad Simonsen nur zu gut kannte.
Kommt die Nacht der Todesnöte, kommst du mit der Morgenröte.
Tausend Gedanken wirbelten durch seinen Kopf, während die Angst ihm den Magen umdrehte und der Schweiß auf seinen Schläfen perlte. Die Bilder rutschten ihm aus den Händen, und er hockte sich auf den Boden, kämpfte gegen seine Angst an und versuchte, seine Gedanken in realistischere Bahnen zu lenken. Anna Mia war tags zuvor nach Bornholm gefahren, um eine Freundin zu besuchen, die gerade Mutter geworden war, so dass sie nicht in unmittelbarer Gefahr schwebte. Außerdem sagte ihm seine Vernunft, dass die offensichtliche Drohung, die von diesem Brief ausging, ihn nur einschüchtern sollte, real aber gar nicht bestand. Eine kühle, jedoch vermutlich korrekte Schlussfolgerung, zu der sein Körper sich spontan nicht hatte überwinden können. Nur langsam fing er sich wieder, denn eine Unzahl von Fragen strömte auf ihn ein. Wie konnte Per Clausen wissen, dass Anna Mia seine Tochter war? Ganz zu schweigen davon, wo sie wohnte. War er überwacht worden? Hatten die Zeitungen letzten Dienstag über den Urlaub mit seiner Tochter berichtet, den er hatte abbrechen müssen, oder gab es noch eine andere Erklärung? All diese Fragen konnte er vorerst nicht beantworten, was das Gefühl der Ohnmacht, das sich in ihm breitmachte, nur noch verstärkte. Trotzdem stellte er sich diese Fragen immer wieder, bis ihn ein anderes Gefühl langsam, aber sicher

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