Schweinehunde / Roman
aufpassen kann.«
Trotz der Übertreibung unterstrichen die Worte nur zu deutlich, welchen Weg sie eingeschlagen hatten. Keiner von beiden ging weiter auf das Thema ein.
Im gleichen Moment klingelte Anni Staals Telefonkopie. Der Mann reichte Konrad Simonsen das Handy, der sein Debüt mit Bravour bestand. Er hörte mit einem ungewohnten Gefühl der Scham zu und wandte sich von seinem Gast ab. Das Gespräch war kurz. Der Fotograf war durch einen etwas ausgeruhteren ersetzt worden, und die Journalistin war mittlerweile auf dem Weg.
Konrad Simonsens Begegnung mit der schreibenden Zunft in der Person von Anni Staal entbehrte von Beginn an nicht einer gewissen Anspannung. Der Fotograf erledigte schnell seine Arbeit und verschwand wieder. Zurück blieben die beiden Kontrahenten, die anfänglich etwas eingeschüchtert wirkten. Es zeigte sich aber schnell, dass es einige Berührungspunkte gab – wenn auch aus entgegengesetzten Blickwinkeln –, so dass sie die erste Viertelstunde mit unverbindlichem Smalltalk über die Bühne brachten. Die angestrengte Stimmung machte einer wachsamen Gemütlichkeit Platz, bei der sie hin und wieder sogar Raum für ein Lächeln oder Lachen fanden.
Danach gingen sie an die Arbeit. Anni Staal schlug vor, das Gespräch in zwei Teile zu gliedern.
»Zuerst tragen wir Material für Ihr Porträt zusammen. Ich frage, Sie antworten, und später bastle ich das Ganze zusammen. Danach führen wir ein klassisches Interview über den Mordfall, bei dem ich Sie wörtlich und im Prinzip unredigiert zitiere.«
Konrad Simonsen willigte ein, und in der nächsten Stunde sprachen sie locker über seine Person und seine Arbeit. Ihre Fragen zeugten von großem Verständnis für seine Tätigkeit, und auch wenn ihr Fokus nicht selten banal und vom öffentlichen Tratsch geprägt war, spürte er so etwas wie Respekt für ihre Professionalität und ihr Detailwissen. Trotzdem gelang es Konrad Simonsen nicht, sich richtig zu entspannen. Zum einen musste er seiner eigenen, geheimen Tagesordnung folgen, zum anderen fühlte er sich trotz ihrer wohlwollenden Fassade beständig wie in einer Prüfungssituation. Vielleicht lag das aber auch an der ungewohnten Rollenverteilung, schließlich war es sonst immer er, der bei arbeitsrelevanten Themen die Marschroute vorgab, den Taktstock schwang und mit seinen Fragen die anderen nach Belieben unter Druck setzte.
Nur zweimal empfand er ihre Fragen als richtiggehend unangenehm.
»Sie greifen hin und wieder auf parapsychologische Hilfe zurück. Glauben Sie an übersinnliche Fähigkeiten und Poltergeister?«
Das Thema war ein Minenfeld, es gelang ihm aber trotzdem, ihre Frage einigermaßen ausweichend zu beantworten und den Beitrag der Hellseher herunterzuspielen und anhand einiger anonymer Beispiele zu erläutern.
Das andere Thema, das ihm einen Stich versetzte, betraf seine eigene Beziehung zur Presse.
»In Journalistenkreisen gelten Sie als arrogant und wenig kooperativ. Immer abweisend und das mitunter sehr grob, worauf ist das zurückzuführen?«
Statt sich in eine lange Erklärung über sein Verständnis von Kriminalität, Unterhaltung, Abonnentenzahlen und Einschaltquoten zu flüchten, gestand er ehrlich ein: »Das ist wohl eine meiner Schwächen. Ich eigne mich sicher besser zum Ermittler als zum Pressesprecher …« Mit dieser Antwort hatte er ihr, was dieses Thema anging, gründlich den Wind aus den Segeln genommen.
Plötzlich entstand eine Situation, die fatal hätte enden können. Anni Staals Handy klingelte, und sie nahm das Gespräch entschuldigend entgegen. Sofort klingelte auch sein Überwachungshandy, das auf dem Fensterbrett lag. Er beeilte sich, das Gerät auszuschalten. Anni Staal hatte aber nichts bemerkt, und als sie das Gespräch beendete, war er in der Küche, um sich zu sammeln. Dann fügte er seinem letzten Satz noch einen Aspekt hinzu: »Aber wie gesagt, manchmal lassen sich die Leute über nachlässige Ermittlungen aus, während sie über die ordentlich durchgeführten kein Wort verlieren. Man lernt, das zu akzeptieren, und versucht zu vergessen, dass die Arbeit manchmal ungerecht sein kann. Jetzt gibt’s gleich frischen Kaffee.«
Anni Staal nickte dankbar.
»Das klingt phantastisch. Danke, wobei ich damit eigentlich vorsichtiger sein sollte. Ich trinke bestimmt zwanzig Tassen am Tag. Also, das läuft ja super bis jetzt. Möchten Sie noch etwas hinzufügen? Oder fehlt Ihrer Meinung nach noch etwas?«
»Ich möchte nicht, dass Sie meine
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