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Schweinehunde / Roman

Schweinehunde / Roman

Titel: Schweinehunde / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lotte & Søren HAMMER
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schrie sie der Massenmord an, und auch im Pflegeheim gab es kein anderes Thema mehr, so dass es unmöglich war, auf andere Gedanken zu kommen. Obgleich ihr Einsatz am letzten Mittwoch auf dem Autobahnparkplatz gerade einmal zehn Minuten gedauert hatte, tauchten die Bilder immer wieder wie ein unwillkommener Film auf ihrer Netzhaut auf. Die fremden Gesichter, die ängstlichen, flehenden Augen, die unkontrolliert zitternden Hände und das Scheppern der an den Armlehnen befestigten Handschellen. Die Panik der Männer, als sie die Spritze wie eine Fackel vor sich in die Höhe hielt, während ihr der Stauschlauch wie eine giftige Schlange um den Hals hing. Einige brüllten wie Stiere, andere heulten wie Hunde, bis
Kletterer
sie mit seinem Taschenmesser verstummen ließ. Ruhe, oder du verlierst ein Auge, süßer Palle … süßer Frank, süßer Thor, süßer … wie war doch gleich dein Name … Peter? An die Namen erinnerte sie sich nicht, nur an
Kletterers
ruhige, erschreckend ehrliche Stimme.
    »Es ist so schwer, mit niemandem darüber reden zu können. Viel schwerer, als ich gedacht hatte.«
    Die alte Frau vor ihr auf dem Duschhocker lächelte verständnislos, und Helle Smidt Jørgensen strich ihr zärtlich über die Haare. Die Liebkosung brachte für einen kurzen Moment Leben in die leeren Augen, ehe die Frau wieder in ihrer eigenen Welt versank.
    »Ist heute Donnerstag? Dann kommt heute meine Tochter.«
    Die Frau genoss es sichtlich, als das warme Wasser über ihren mageren, faltigen Rücken lief und Helle Smidt Jørgensen sie vorsichtig einseifte.
    »Ich bin auf meine alten Tage noch zur Verbrecherin geworden. Musste unbedingt auch das noch ausprobieren.«
    Als sie die Frau vor sich ansah, musste sie unwillkürlich denken, dass
alte Tage
ziemlich relativ war.
    »Ja, ich meine, die Jüngste bin ich ja auch nicht mehr. Aber es ist wirklich wahr, mit Maske, Pistole und allem Drum und Dran. Eine echte Pistole oder vielleicht auch ein Revolver, darauf habe ich nicht geachtet. Auch wenn sie nicht geladen war. Und einem Sack voll Handschellen.«
    »Heute kommt meine Tochter. Heute ist doch Donnerstag?«
    Sie holte Handtücher aus dem beheizten Schrank, hüllte die Alte in angenehm warme Frotteetücher und rieb sie vorsichtig trocken.
    »Ich habe
Kletterer
mit der Waffe bedroht, ohne ein Wort zu sagen. Er hat mich um Gnade angewinselt, während er sie alle ankettete. Das ging alles so schnell, dass niemand protestierte, bevor es zu spät war. Natürlich hielten die das alle für einen Raubüberfall, ich glaube, es hat keiner daran gezweifelt, dass
Kletterer,
ihr Chauffeur, auch zu den Opfern gehörte. Als sie später erkannten, wie sich das alles wirklich verhielt, waren sie längst angekettet.«
    Ein entsetztes Zittern ging durch die Frau. Sie musste ihre Stimme gehoben haben.
    »Meine Tochter soll kommen. Meine Tochter soll kommen. Jetzt, sofort.«
    »Ja, ja.«
    Sie umarmte die alte Frau und streichelte ihren Rücken, woraufhin sie sich wieder beruhigte. Dann ließ sie die nassen Handtücher auf den Boden fallen und cremte sie mit ruhigen, kreisenden Bewegungen ein. Die Alte schloss die Augen und summte leise, und Helle Smidt Jørgensen nahm sich extra viel Zeit.
    »Wir müssen noch daran denken, Ihre Zähne zu putzen, nicht dass Sie sie wie letzte Woche verlegen.«
    Routiniert legte sie ihre Finger um die Oberkieferprothese der Frau und löste sie, bevor sie das Gebiss mit Handseife putzte, während die Alte sich den Mund ausspülte.
    »Meine Tochter besucht mich heute. Heute ist doch Donnerstag, nicht wahr?«
    »Heute ist Dienstag. Ihre Tochter kommt am Wochenende, das ist noch eine ganze Weile hin.«
    Ohne es zu wollen, hatte sie sie mürrisch angefahren.
    Die Alte reagierte sofort: »Rufen Sie meine Tochter an. Meine Tochter soll kommen. Jetzt. Heute ist doch Donnerstag?«
    »Seien Sie ruhig, Sie senile Schachtel.«
    Die Alte weinte herzzerreißend.
    Sie konnte sich nicht daran erinnern, dass sie jemals zuvor einen der Bewohner geschlagen oder ihm wie jetzt einen leichten Klaps versetzt hatte. Sie musste sich beruhigen, brauchte eine Pille oder einen Schnaps oder beides. Es war eine stressige Zeit.

[home]
17
    A rne Pedersen und Pauline Berg schlenderten über den Bürgersteig. Sie mochten sich, und wenn sie ein seltenes Mal allein waren, zogen sie diese Augenblicke, obwohl sie es eilig hatten, gerne in die Länge.
    Pauline war schweigsam und schlecht gelaunt, während Arne Pedersen eigentlich ganz zufrieden

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