Schweinehunde / Roman
weiter und ließ das Band dann an einer zufälligen Stelle laufen.
»… würde das Gespräch vielleicht etwas leichter machen, wenn du ihr das sagen würdest.«
Die Stimme des Anwalts klang müde.
»Dieser Meinung bin ich auch.«
Pauline Bergs Stimme hörte sich noch müder an.
»Dann muss sie erst präzisieren, was sie mit dem Wort ›ungewöhnlich‹ meint.«
Ditte Lubert klang gut aufgelegt.
Die Comtesse stellte das Gerät ab und seufzte. Dann sagte sie: »Und so weiter, und so weiter. Ich habe schon viele seltsame Zeugen erlebt, aber die toppt alle. Die ist noch schlimmer als der Hausmeister.«
»Was hältst du von ihr?«
»Ich? Ich denke, Ditte Lubert wünscht sich nichts mehr als eine 180-Grad-Wende ihres Lebens. Alleinerziehende Mutter, ein wenig abwechslungsreicher Arbeitsalltag, Neid auf die Karrieren ihrer Kollegen, zänkisch und aufgeblasen … aber ich gebe dir recht, schiebt man all das beiseite, bleibt immer noch der Eindruck, dass sie etwas zurückhält. Im Augenblick habe ich von der aber wirklich genug. Sag mir lieber, wie es bei dir gelaufen ist. Hast du den freundlichen Pizzaspender gefunden?«
Poul Troulsen setzte sich neben ihr an den Tisch, bereit, ihr alles zu erzählen. Die Comtesse sog die Luft hörbar durch die Nase ein.
»Du stinkst«, sagte sie.
»Das hat seinen Grund. Schließlich habe ich eine halbe Ewigkeit bis zu den Knöcheln in Pizzaresten gestanden. Aber pass auf. Ich war heute Morgen da, als die Bude aufgemacht hat, und konnte sogar mit der Pizza-Mama herself reden. Ein langes Gespräch. Anfangs hat sie kein Wort verstanden, und wenn sie mir mal eine Antwort gab, dann war die zu achtzig Prozent Italienisch. Ich sage dir, das war zäh, aber dann kam glücklicherweise ihr Sohn, woraufhin sich herausstellte, dass sie unsere Sprache gar nicht so schlecht spricht. Sie hat sich einfach hinter einer falschen Sprachbarriere verschanzt, als sie mitbekam, dass irgendeine offizielle Stelle etwas von ihr wollte. Ihr Sohn hat ihr das aber ausgeredet, und nach einigem Hin und Her kamen sie zu dem Schluss, dass die Pizzen am letzten Montag bestellt worden sein mussten. Von einem Mann, der seine Bestellung schriftlich abgegeben hatte.«
»Interessant, dann hattest du also recht.«
»Ja. Aber das ist noch nicht alles. In der nächsten Stunde haben wir versucht, die Frau dazu zu bringen, uns den Mann zu beschreiben, was sich als komplett unmöglich herausgestellt hat. Nach unendlichen Variationen der immer gleichen fünf Fragen wussten wir endlich, dass es sich um eine männliche Person zwischen zwanzig und achtzig handelte, die weder im Rollstuhl gesessen noch ein Zwerg gewesen war. Zu diesem Zeitpunkt war ich mir bereits sicher, dass sie an irgendeiner noch nicht beschriebenen Fritteusenkrankheit litt. Später stellte sich diese Vermutung dann aber als höchst ungerechtfertigt heraus. Trotzdem blieb uns in dieser Situation nur noch eine Wahl.«
»Im Müll nach der Bestellung suchen?«
»Genau. Wir haben im Hinterhof drei Container ausgekippt. Der Sohn hat mir beim Suchen geholfen, während die Frau uns dirigierte. Das Ganze war fast zum Lachen. Schließlich haben wir die Bestellung tatsächlich gefunden, ein kleiner, hellblauer Post-it-Zettel mit Lieferdatum, Anzahl und Nummern der Pizzen, alles notiert in einer charakteristischen, geschwungenen Schrift. Ein graphologisches Geschenk, wobei es sich vorwiegend um Zahlen handelt. Alle waren glücklich, und ich habe sogar noch einen Kaffee aufs Haus bekommen. Die Stimmung war richtig angenehm, bis mein Blick über den Tresen auf die Tagesangebote fiel, geschrieben in einer … ja, rate mal …«
»Charakteristischen, geschwungenen Schrift.«
»Bingo! Das war ein echter Schock, und ihr Sohn war ebenso ärgerlich wie ich. Er hat sich für das schlechte Gedächtnis seiner Mutter entschuldigt, aber das war der Alten zu viel, und sie ist richtiggehend ausgerastet und hat uns nach allen Regeln der Kunst auf Italienisch und Dänisch beschimpft. Mitten in ihrer Schimpftirade fragte sie uns dann, warum wir denn nicht einfach mit dem Mann selbst redeten? Wir starren sie entgeistert an, bis ihr Sohn sich zusammengerissen und sie aufgefordert hat, uns das zu erklären. Natürlich hat er sie gefragt, ob sie den Mann kenne oder nicht, und weißt du, was sie geantwortet hat? Nein, kennen nicht, das könne man nicht sagen, ihr Mann und ihr Sohn würden ja immer mit den Kunden reden, während sie die ganze Zeit Pizza verkaufen müsse, aber
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