Schweinsgalopp
einem als kleines Skelett, das einen schwarzen Kapuzenmantel trägt, Grenzen gesetzt.
Er sprang vom Tisch und hinterließ nach Sherry riechende Spuren, die bis zu dem Baum reichten, der in einer Zimmerecke stand. Eigentlich war es nur ein kahler Eichenzweig, aber man hatte so viele Stechpalmenblätter und Misteln daran festgebunden, daß im Licht der Kerzen alles hübsch glänzte.
Girlanden und Rauschgold hingen daran, außerdem kleiner Zierat und Beutel mit Schokoladenmünzen.
Der Rattentod betrachtete sein verzerrtes Spiegelbild in einer Glaskugel und sah dann zum Kaminsims empor.
Er erreichte ihn mit einem Sprung und schlenderte neugierig an aufgestellten Postkarten vorbei. Seine grauen Schnurrhaare zuckten, als er Botschaften wie Viel Glück und alles Gute immerdar, zum Silvester und auch im neuen Jahr las. Auf einigen Karten war ein fröhlicher Dicker, der einen Sack trug, abgebildet. Ein Bild zeigte ihn in einem Schlitten, der von vier großen Schweinen gezogen wurde.
Der Rattentod schnupperte an zwei langen Strümpfen, die vor dem Kamin hingen, in dem glühende Asche an ein wärmendes Feuer erinnerte.
Er spürte eine gewisse Anspannung. Irgend etwas teilte ihm mit, daß diese Szene gleichzeitig eine Bühne war, ein rundes Loch, das auf einen runden Pflock wartete…
Es kratzte. Rußfladen fielen in die Asche.
Der Rattentod nickte sich selbst zu.
Das Kratzen wurde lauter, wich kurzer Stille und dann einem dumpfen Krachen, als etwas inmitten der Asche landete und zwei in erster Linie dekorative Schüreisen beiseite stieß.
Eine in Rot gekleidete Gestalt richtete sich auf, wankte über den Kaminvorleger und tastete kurz nach ihrem Schienbein, das eine Kollision mit der Röstgabel hinter sich hatte.
Sie erreichte den Tisch und las den Brief. Der Rattentod glaubte, ein leises Stöhnen zu hören.
Die Rüben verschwanden in Manteltaschen, ebenso die Schweinepastete, was der Rattentod mit einem gewissen Bedauern zur Kenntnis nahm. Seiner Meinung nach sollte sie hier verspeist und nicht mitgenommen werden.
Die Gestalt blickte einige Sekunden lang auf den inzwischen nassen Brief hinab, drehte sich dann um und trat zum Kaminsims. Der Rattentod verbarg sich hinter Fröhlicher Silvester und ein glückliches neues Jahr.
Ein roter Handschuh griff nach einem Strumpf. Nach einigem Rascheln und Knistern kehrte der Strumpf an seinen Platz vor dem Kamin zurück. Er war jetzt viel dicker, und oben ragte eine Schachtel heraus. Auf ihrem Rand prangte folgender Hinweis: »Ohne Opferfiguren. Für Kinder von 3-10.«
Der Rattentod konnte die Identität des großzügigen Schenkers nicht erkennen. Eine große rote Kapuze verbarg sein Gesicht. Nur eine langer weißer Bart ragte darunter hervor.
Als die Gestalt ihr generöses Werk beendet hatte, trat sie zurück, holte eine Liste hervor und hielt sie vor die Kapuze. Mit der anderen Hand winkte sie in Richtung Kamin, deutete auf die rußigen Fußspuren, das leere Sherryglas und die Strümpfe. Dann beugte sie sich so vor, als wäre sie bestrebt, Kleingedrucktes zu lesen.
AH, JA, sagte sie. ÄH… HO. HO. HO.
Sie duckte sich und kletterte wieder in den Kamin. Es kratzte mehrmals, bis die Füße Halt fanden, und schließlich herrschte wieder Stille.
Der Rattentod stellte fest, daß er vor lauter Verblüffung am Griff seiner kleinen Sense knabberte.
QUIEK?
Er sprang, landete in der Asche und sauste durchs rußige Gewölbe des Rauchabzugs. Unterwegs beschleunigte er weiter und wurde so schnell, daß er aus dem Schornstein raste und erst nach einem weiten Bogen auf das schneebedeckte Dach fiel.
Ein Schlitten schwebte neben der Dachrinne in leerer Luft.
Die rote Gestalt kletterte hinein und sprach mit jemandem, der irgendwo zwischen den Säcken hockte.
HIER IST NOCH EINE SCHWEINEPASTETE.
»Was ist mit Senf?« fragte die zweite Person. »Mit Senf sind sie wirklich lecker.«
TUT MIR LEID.
»Na ja. Gib sie mit trotzdem.«
SIE SIEHT ZIEMLICH SCHLECHT AUS.
»Oh, da hat nur jemand dran geknabbert…«
ICH MEINE NICHT DIE SCHWEINEPASTETE, SONDERN DIE ALLGEMEINE SITUATION. VIELE BRIEFE… MANCHE KINDER GLAUBEN GAR NICHT WIRKLICH AN DEN SCHNEEVATER. SIE TUN NUR SO, FÜR DEN FALL. 7 ICH FÜRCHTE, ES KÖNNTE SCHON ZU SPÄT SEIN. ES HAT SICH SCHNELL AUSGEBREITET, NICHT NUR HIER, SONDERN AUCH IN DER VERGANGENHEIT.
»Es besteht Hoffnung, solange man lebt«, sagten die Säcke. Es klang nach einem vollen Mund. »So lautet unser Motto, nicht wahr, Herr?«
ICH KANN MICH NICHT DARAN
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