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Schweinsgalopp

Schweinsgalopp

Titel: Schweinsgalopp Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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aufsteigen konnte, indem man Prüfungsbögen richtig ausfüllte. Die Adligen, die sie im Haus ihres Vaters kennengelernt hatte, benutzten weder Mundtuch noch Serviette, sondern vertraten den Standpunkt: »Laß es einfach auf den Boden fallen – bestimmt fressen es die Hunde.«
    Als Frau Gamasche sie mit zitternder Stimme gefragt hatte, wie man den Vetter zweiten Grades einer Königin ansprach, antwortete Susanne gedankenlos: »Wir nannten ihn einfach Jamie.« Daraufhin mußte sich Frau Gamasche mit Kopfschmerzen in ihr Zimmer zurückziehen.
    Herr Gamasche nickte nur, wenn er der Gouvernante im Flur begegnete. Er wechselte kaum ein Wort mit ihr. Mit Stiefel und Schuhen kannte er sich aus, und das genügte ihm.
    Gawain und Twyla – genannt nach zwei Personen, die sie vermutlich sehr mochten – waren bereits zu Bett gegangen, als Susanne heimkehrte. Diesmal steckte sogar Eigeninitiative dahinter: In einem gewissen Alter glaubt man, daß der nächste Tag schneller kommt, wenn man früh zu Bett geht.
    Susanne räumte im Schulzimmer auf, traf Vorbereitungen für den nächsten Morgen und sammelte die Dinge ein, die Gawain und Twyla zurückgelassen hatten.
    Nach einer Weile klopfte etwas an die Fensterscheibe.
    Sie spähte in die Dunkelheit hinaus und öffnete das Fenster. Draußen löste sich eine kleine Schneewehe.
    Im Sommer streckten sich hinter dem Fenster die Zweige eines Kirschbaums aus. Jetzt neigten sich dünne weiße Linien dort, wo sich Schnee auf ihnen gesammelt hatte.
    »Wer ist da?« fragte Susanne.
    Etwas hüpfte auf einem frosterstarrten Ast näher.
    »Tschiep, tschiep, tschiep, ich bin ein liebes Vögelchen«, sagte der Rabe.
    » Du schon wieder?«
    »Hast du vielleicht ein hübsches kleines Rotkehlchen erwartet? Hör mal, dein Großva…«
    »Verschwinde!«
    Susanne schloß das Fenster und zog die Gardine vor. Anschließend, um ganz sicher zu gehen, kehrte sie ihm den Rücken zu und versuchte, sich auf das Zimmer zu konzentrieren. Es half, an… normale Dinge zu denken.
    Sie sah zum Silvesterbaum, einer kleinen Version des großen Exemplars im Salon. Sie hatte den Kindern geholfen, ihn zu schmücken. Ja, an den Baum denken…
    Girlanden hingen daran. Und Stechpalmenzweige, die für den Salon zu wenig Beeren hatten. Jetzt klebten künstliche Beeren aus Modelliermasse an ihnen, und die Blätter waren überall, steckten zwischen Büchern und hinter Bildern.
    Zwei Strümpfe hingen am Sims des kleinen Kamins im Schulzimmer. Twylas Bilder zierten ihn: klecksiger blauer Himmel, giftgrünes Gras, rote Häuser mit vier quadratischen Fenstern. Und dann noch…
    Es waren normale Dinge.
    Susanne atmete tief durch und betrachtete sie, während ihre Finger nachdenklich auf ein Federmäppchen aus Holz trommelten.
    Die Tür öffnete sich. Twyla erschien mit zerzaustem Haar auf der Schwelle und hielt sich mit einer Hand am Türknauf fest.
    »Es hockt schon wieder ein Ungeheuer unter meinem Bett, Susanne…«
    Das rhythmische Klicken von Susannes Fingernägeln verklang.
    »Na schön, Twyla. Ich komme gleich.«
    Das Mädchen nickte und kehrte in sein Zimmer zurück. Twyla sprang aus sicherer Entfernung ins Bett, um nicht von Klauen gepackt zu werden.
    Ein metallenes Sssst ertönte, als Susanne den Schürhaken aus dem kleinen Messingständer zog, den er mit der Zange und der Kohlenschaufel teilte.
    Sie seufzte. Normal war das, was man dazu machte.
    Sie ging ins Kinderschlafzimmer und beugte sich so vor, als wollte sie Twyla zudecken. Dann griff sie blitzschnell unters Bett, bekam Haare zu fassen und zog daran.
    Der Schwarze Mann kam hervor wie der Korken aus einer Flasche. Bevor er sich von seiner Überraschung erholen konnte, fand er sich an der Wand wieder, einen Arm auf den Rücken gedreht. Es gelang ihm, den Kopf weit genug zur Seite zu neigen, um Susannes Gesicht zu sehen, von dem ihn nur wenige Zentimeter trennten.
    Gawain sprang auf seinem Bett auf und ab.
    »Erschreck ihn mit der Stimme, erschreck ihn mit der Stimme!« rief er.
    »Nein, nicht die Stimme, nicht die Stimme!« flehte der Schwarze Mann.
    »Hau ihm den Schürhaken auf den Kopf!«
    »Nicht den Schürhaken! Nicht den Schürhaken!«
    »Du bist es, nicht wahr?« fragte Susanne. »Von heute nachmittag…«
    »Schlag ihn mit dem Schürhaken«, sagte Gawain.
    »Nein, nicht mit dem Schürhaken!« jammerte der Schwarze Mann.
    »Neu in der Stadt?« fragte Susanne.
    »Ja!« Falten bildeten sich auf der Stirn des Schwarzen Mannes. »He, wieso kannst du mich

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