Schwemmholz
ihnen zu.
Welf ging vom Firmenparkplatz zum Eingang. Glas und Stahl funkelten in der Sonne. Vor der Tür wandte er sich um und warf noch einmal einen Blick auf den kleinen Park. Trotz des frühsommerlichen Nachmittags war der Mensch in dem Rollstuhl in eine Decke gehüllt und hatte eine Wollmütze über Kopf und Ohren gezogen. Auch das Gesicht sah merkwürdig aus, wie aus Plastik, ohne Augenbrauen. Wo hatte er so etwas schon gesehen? Welf schüttelte den Kopf und betrat das Verwaltungsgebäude seines Unternehmens.
Dann fiel es ihm ein. Das Gesicht hatte ihn an den Rennfahrer erinnert, dessen Wagen vor Jahren in Flammen aufgegangen war. Dem hatte es auch die Brauen weggebrannt.
Er grüßte seine Mitarbeiter. Die Frau am Empfang gab ihm ein Zeichen. »Besuch für Sie«, teilte sie halblaut mit. »Sie sagten, sie seien von der Polizei und ließen sich nicht wegschicken.«
»Das war auch gar nicht notwendig«, sagte Welf knapp und lächelte sie an. »Wir schicken niemanden weg, schon gar nicht Herrschaften von der Polizei.«
Dann ging er die Treppe hoch und atmete tief durch. Das Angebot der Italiener hatte sich nicht einmal schlecht angehört. Vielleicht würde er mit ihrer Hilfe an italienische Aufträge kommen. Und Lettner hatte sogar angeboten, einen Teil der Beteiligung »informell« einzubringen, also schwarz und bar auf die Hand. Er würde damit Judith auszahlen können.
Fast hatte Lettners Angebot geklungen, als wisse er, wie dringend sein künftiger Partner solches Geld brauchte. Woher wusste er es? Plötzlich wurde Welf klar, dass ein Schatten über dem Angebot Lettners lag.
Judiths Platz war verlassen, sie hatte noch einen Tag freigenommen. Die beiden Besucher standen vor der Stellwand mit den Plänen für den Appartementbau am Donauufer. Als ob sie seinen Blick im Rücken gespürt hätte, drehte sich die Frau um
und sah ihm in die Augen. Eine Welle von Abneigung schlug in ihm hoch.
»Guten Tag«, sagte er höflich. »Wir kennen uns ja schon.« Auch der Mann mit dem Stock hatte sich umgedreht. Alter Mann, dachte Welf, geh Rente mümmeln!
Berndorf gab den Gruß zurück und lächelte. »Wir haben ein paar Fragen an Sie. Eigentlich nur eine.«
Die Kommissarin sah Welf in die Augen. Er blickte weg. Kugler hatte ihm erzählt, im Neuen Bau heiße es, diese Polizistin sei andersrum.
Welf ging den Besuchern in sein Büro voran, und Tamar legte ihm einen Satz Bilder auf den Schreibtisch. Es waren Polizeifotos, und sie zeigten Rodek.
»Kennen Sie diesen Mann?«, fragte Tamar. Welf überlegte.
»Ich glaube, ich weiß, wer das ist«, sagte er schließlich. »Es ist einer von den Angeklagten aus diesem Brandstifterprozess.« Er schaute zu Berndorf auf. »Ein Freund von mir hat mir von dem Fall erzählt, Rechtsanwalt Kugler, einer der Verteidiger. Ich glaube mich zu erinnern, dass in seinen Akten ein Polizeifoto von diesem Mann war.«
»Er hat Ihnen die Akten gezeigt?« Tamars Stimme klang skeptisch.
»Ich bin ja selbst Bauunternehmer, verstehen Sie? Mich hat natürlich interessiert, was mit dieser Baustelle gewesen ist. Allein schon, weil einem so etwas ja selbst passieren kann.«
»Von früher kennen Sie Stefan Rodek nicht?«, fragte Berndorf.
»Ob dieser Mann so heißt, weiß ich nicht mehr. Der Name sagt mir auch sonst nichts.«
»Sie treiben Sport? Oder haben es früher getan?«
Welf blickte ihn verwundert an. »Tennis. Golf habe ich bleiben lassen, seit man dort Bankfuzzis und Zeitungsschreiber trifft. Früher mal bin ich die langen Strecken gelaufen.«
»Nie im Boxring gestanden?«
Welf runzelte die Stirn. »Boxen wäre natürlich eine Herausforderung gewesen. Aber die Augen waren nicht gut genug,
und meine Handgelenke zu schmal.« Er sah von Berndorf zu Tamar, blickte aber sofort wieder weg. »Aber wenn es Sie interessiert, zeige ich Ihnen gerne meine Trophäensammlung. In irgendeinem Koffer müssten noch ein paar Pokale von den Tennis-Bezirksmeisterschaften sein, je unbedeutender der Titel, desto scheußlicher der Pokal.« Er lächelte. »Wenn es denn der Wahrheitsfindung dient, suche ich Ihnen auch meine Urkunden von den Bundesjugendspielen heraus.«
Berndorf ließ das Lächeln unerwidert. »Ich frage, Herr Welf, weil wir nachprüfen müssen, ob es eine Verbindung zwischen Ihnen und Herrn Rodek gibt. Es liegt auch in Ihrem Interesse, dass wir diese Frage zweifelsfrei beantworten können. Nach den uns vorliegenden Hinweisen ist Rodek der Mann, der die Explosion am Ostbahnhof ausgelöst
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