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Schwemmholz

Schwemmholz

Titel: Schwemmholz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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angekommen. Könnten Sie den Schaffner ausfindig machen und ihn
fragen?« Er gab eine kurze Beschreibung von Vera. »Und dann sollten Sie in Pensionen und Hotels nach ihr fragen. Vera ist Ulmerin, sie kennt sich also gut genug aus, um sich etwas auszusuchen, das zu ihr passt. Fragen Sie also zuerst in den Häusern, die nicht zu teuer sind, aber auch keine Absteige.«
    »Vielleicht auch im Frauenhaus?«, warf Kuttler ein.
    »Auch da«, meinte Berndorf. »Obwohl ich glaube, dass sie sich im Frauenhaus geniert.«
    »Was redet ihr von Frauenhäusern?«, mischte sich Tamar ein. Sie hatte das Gespräch mit Desarts beendet, und zwar siegreich, wie es schien.
    Berndorf erklärte es ihr. »Außerdem brauche ich von einem von euch die Pistole. Meine ist doch sichergestellt.«
    Tamar sah ihn mit großen erstaunten Augen an. Dann schloss sie eine Schublade auf und holte ihre Dienstpistole aus dem Halfter. »Sie hat einen sehr leichtgängigen Druckpunkt«, sagte sie und zog das Magazin heraus. Es war voll, und sie drückte es wieder in die Waffe.
    »Aber ich weiß nicht, was ich davon halten soll«, meinte sie dann. Berndorf nahm sonst nie eine Waffe mit. »Sagen Sie uns, was Sie vorhaben? Und warum Sie allein hingehen wollen?«
    »Ich fahre aufs Land«, antwortete Berndorf. »Und die Waffe nehme ich mit, falls mir Rodek über den Weg läuft.«
    »Ich bekomme da auch so ein Gefühl«, sagte Tamar. »Und ich weiß, dass es mir nicht gefällt. Ich will mitfahren. Außerdem muss ich es. Sie brauchen jemanden, der Sie fährt.«
    Berndorf schüttelte den Kopf. »Das ist ein Job für mich allein. Außerdem habe ich es satt, gefahren zu werden.« Er sah Tamar an. »Und Sie haben genug zu tun, Ihre Hausdurchsuchung vorzubereiten. Vor allem, weil Sie die bayerischen Kollegen dazu brauchen.« Er nahm die Pistole samt Halfter von Tamars Schreibtisch und stopfte sie sich in seine Jackentasche.
    Tamar schüttelte den Kopf. »Bis Sie die Knarre da wieder herausgewurstelt haben, sind Sie im Ernstfall dreimal tot.«

    »Wenn es so weit ist, leg ich sie mir schon zurecht«, antwortete Berndorf und wandte sich zur Tür. Auf halbem Weg blieb er stehen. »Sie sollten das Technische Hilfswerk anrufen, damit die Ihnen den Keller leer pumpen.«
    Dann ging er. Als er die Tür hinter sich geschlossen hatte, sahen sich Tamar und Kuttler nachdenklich an.
    »Warum nimmt er eigentlich kein Pferd und reitet in den oberschwäbischen Abend?«, fragte Kuttler.
    »Kuttler, halt’s Maul«, sagte Tamar und riss ihren Blick von dem Ding los, das auf dem linken Nasenflügel ihres Kollegen erblüht war. »Was schreibst du da eigentlich?«
    »Einen Bericht über eine Anfrage beim Arbeitsamt«, antwortete Kuttler. »Weil ihr mich ja bei den wichtigen Sachen nicht mittun lasst, hab ich beim Arbeitsamt nachgefragt, welche polnischen, ukrainischen, weiß- oder sonstwasrussischen Arbeitskräfte auf einer bestimmten Baustelle gemeldet sind. Mit irgendwas muss ich meine Dienstzeit ja rumkriegen.«
    »Und was für welche sind es nun?«
    »Keine. Es sind überhaupt keine gemeldet.«
    »Und was geht das dich an?«
    »Nichts, Chefin«, sagte Kuttler fröhlich. »Es ist nur so, ich hab einen Bausparvertrag laufen. Sie glauben ja nicht, was für schöne Häuser Sie mit dem Beamtenheimstättenwerk bauen können. Und da will ich mich jetzt einfach ein bisschen schlau machen.«
    »Kuttler«, sagte Tamar drohend, »verarsch mich nicht.«
    »Sie sollten sich mal vom Kollegen Tautka einladen lassen«, schlug Kuttler vor. »Vielleicht nicht gerade in die Sauna. Nur so. Und sich sein Haus anschauen. Dann wissen Sie, was ich meine.«
     
    Der Wagen, den ihm die Autovermietung gegeben hatte, war ein weinroter Audi, eines der Fahrzeuge, in denen sonst die Leute mit der Lichthupe auf der linken Fahrspur unterwegs sind. Es wunderte ihn, dass es solche Autos überhaupt mit Automatik gab. Er war eingestiegen, hatte sich den Sitz und
den Rückspiegel zurechtgerückt und den Wagen gestartet, als ob es die selbstverständlichste Sache der Welt sei. Er hatte es getan, obwohl und während die Panik in ihm zeterte und sein Herz bis zum Hals klopfen ließ.
    Auf der Neuen Straße staute sich der Verkehr zurück. Als er sich schließlich eingefädelt hatte, hing er hinter einem Lastwagen mit einem wummernden Motor, der Berndorfs Audi in stinkendblaue Dieselwolken einhüllte.
    Für einen Augenblick dachte Berndorf, er müsse auf der Stelle den Motor abstellen und sich ins Freie retten. Aber links und

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