Schwemmholz
Projekt am Ostbahnhof.« Sie gingen die Platzgasse hoch, dem Stadthaus entgegen, das weiß, rund und postmodern im frühen Nachmittagslicht schimmerte.
»Es gibt nur ein Problem«, fuhr Kaufferle fort. »Ihr Eigenkapital reicht nicht aus. Und es ist ein Irrglaube, Sie könnten mit einem Schlag große Kasse machen. Das geht nicht. Jetzt erst recht nicht, wenn es stimmt, was dieser Dompfaff erzählt. Dann nämlich wird bei der Stadt das große Nachrechnen ausbrechen.« Kaufferle brach ab.
Sie standen auf dem freien Platz vor dem Münster, es war wirklich ein schöner Nachmittag geworden, Touristen fotografierten das Münsterportal, junge Frauen sonnten sich, in
einer Ecke kickten junge Burschen und benutzten einen der Münsterpfeiler als Torwand.
»Aber es gibt kein Problem, das sich nicht lösen ließe«, fuhr Kaufferle fort. Plötzlich klang seine Stimme weich, verbindlich und werbend. »Es ist ganz einfach. Sie nehmen einen finanzkräftigen Partner mit ins Boot.«
Ein Trick ist das, dachte Welf. Ihr wollt mich austricksen.
»Sie werden mir noch dankbar sein«, sagte Kaufferle. »Es ist kein Trick dabei. Kommen Sie.«
Sie gingen zu dem Bankgebäude an der Ecke des Münsterplatzes, das vor einigen Jahren neu gebaut worden war und das so sehr nach nichts aussah, dass es fast schon wieder Stil hatte. Von der Schalterhalle führte eine Treppe zu Kaufferles Büro. Im Vorzimmer begrüßte sie eine schmale dunkelhaarige Sekretärin und blickte Kaufferle warnend aus großen Haftschalen-Augen an.
»Ihr Besuch wartet schon, Herr Direktor«, sagte sie. Welf wusste, dass Kaufferle und seine Sekretärin privat seit Jahren auf Du waren. Alle wussten es. Kaufferle öffnete die Tür zu seinem Büro und ließ Welf vorangehen.
Der Raum war angenehm dunkel, denn die Jalousien waren heruntergelassen. Aus einem der Sessel, die um einen niedrigen Couchtisch platziert waren, erhob sich ein schlanker, mittelgroßer Mann. Er hatte sorgfältig geföhnte graue Haare.
»Ich darf Sie mit Carlo Lettner bekannt machen«, sagte Kaufferle. »Er ist Architekt wie Sie. Und der Deutschland-Repräsentant der Edim SA, Mailand.« Mechanisch schüttelte Welf die dargebotene Hand.
»Ich freue mich, Sie kennen zu lernen«, sagte Lettner. »Wir haben schon viel von Ihnen gehört, und ich darf Ihnen sagen, dass wir beeindruckt sind. Natürlich vor allem von Ihrer Arbeit als Architekt.« Er machte eine Pause und zeigte ein sorgfältig restauriertes Gebiss. »Beeindruckt sind wir aber auch von Ihren anderen – wie soll ich es sagen – von Ihren anderen Problemlösungen.«
Blocher sah von seinem Schreibtisch hoch. Durch die Mansardenfenster des kleinen Büros fiel das Licht auf sein Gesicht mit den massigen, hängenden Backen und gab ihm das Aussehen eines verirrten Bullenbeißers, für den schon lange keiner mehr ein Schweineohr oder einen Hundekuchen übrig gehabt hat.
»Ach, Sie!«, sagte er. »Das trifft sich gut.« Er runzelte die Stirn. »Wollte Ihnen nämlich noch was sagen. Es freut mich, dass Sie wieder an Bord sind.«
»Danke«, antwortete Berndorf überrascht und wies auf den Besucherstuhl. Ob er sich setzen dürfe?
»Aber bitte«, sagte Blocher, »es ist mir eine Ehre.«
Übertreib es nicht, dachte Berndorf. Er setzte sich, zog die Plastiktüte mit dem kleinen Goldkettchen hervor und legte es vor Blocher auf den Tisch.
»Sagt Ihnen das etwas? Wir haben es bei jemandem gefunden, der zu Ihrer Kundschaft gehören könnte.«
Blochers Gesicht wurde starr. »Sagen Sie mir, wo Sie das herhaben.«
Berndorf schwieg und sah ihn nur an.
»Also gut.« Blocher setzte sich aufrecht. »Einer unserer Informanten hat so etwas. ›Grün II‹ ist der Deckname. Aber das ist jetzt sowieso alles Unsinn. Der Mann heißt Hugler.«
»Ist es der, der sich in die Niederlande abgesetzt hat?«, fragte Berndorf.
Blocher sah ihn argwöhnisch an. »Na schön. Ja. Wir glaubten, Hugler sei dort. Offenbar stimmt es nicht. Sonst hätten Sie dieses Ding da nicht.«
»Er hat Geld mitgenommen?«, setzte Berndorf nach. »Geld, mit dem ein Scheingeschäft angebaggert werden sollte?«
»50 000 Mark«, antwortete Blocher müde. »Es ist weg. Er hat uns reingelegt. Ich hab geschworen, ihm jeden Knochen einzeln zu brechen, wenn ich ihn erwische.«
»Das brauchen Sie nicht mehr«, sagte Berndorf.
Unter den Bäumen auf dem Karlsplatz picknickten türkische Familien. Am Freiluftschach stand sich wieder das alte Ehepaar gegenüber. Ein Mensch im Rollstuhl sah
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