Schwer verliebt: Roman (German Edition)
die Tiara war schräg über eines von Lindsays unnatürlich grünen Augen gerutscht. Ich kann echt nicht begreifen, warum sie das Bild so gut fand.
»Laut Zeugenaussagen wurde Lindsay zuletzt gestern Abend gesehen. Gegen neunzehn Uhr hat sie ihr Zimmer verlassen und ihrer Zimmergenossin gesagt, sie ginge auf eine Party. Von dort kam sie jedoch nie zurück.«
Das wissen wir bereits. Cheryl war am Vormittag in Tränen aufgelöst im Büro erschienen und hatte herzzerreißend über das Schicksal ihrer Freundin und Zimmergenossin geweint – eine Zimmergenossin, mit der sie nicht mehr zusammenwohnen konnte, da Lindsay tot war, bevor Cheryl überhaupt einziehen konnte.
Lindsays ursprüngliche Zimmergenossin, Ann, hatte die Nachricht weniger hysterisch aufgenommen und hatte der Polizei den bisher einzigen Hinweis gegeben – den mit der Party. Natürlich hatten Lindsay und Ann nicht die beste Beziehung zueinander, und deshalb konnte das Mädchen Detective Canavan auch nicht sagen, auf welche Party
Lindsay gehen wollte und auch Cheryl war keine große Hilfe. Sie hatte so geschluchzt, dass Tom sie zur Psychologin bringen ließ, damit diese ihr bei der Bewältigung der Trauer und der Tatsache, dass sie für den Rest des Jahres ein Einzelzimmer hat, helfen kann.
Dabei ist Cheryl die einzige Studentin, die nie allein wohnen wollte.
»Die Behörden stehen vor einem Rätsel, wie Lindsay in die Cafeteria der Fisher Hall gelangt ist«, fährt der Nachrichtensprecher fort. Hinter ihm wird ein Bild eingeblendet, auf dem Präsident Phillip Allington an einem Podium im Bibliothekssaal steht. Detective Canavan neben ihm wirkt zerknittert und griesgrämig. Auf der anderen Seite des Präsidenten steht aus irgendeinem unerfindlichen Grund Coach Andrews, dem es gelingt, ruhig und verwirrt gleichzeitig zu wirken. Allerdings habe ich festgestellt, dass viele Sporttrainer so aussehen.
Der Nachrichtensprecher sagt: »Ein Sprecher des New York City Police Department hat erklärt, die Polizei habe zwar noch niemanden verhaftet, sie verfolge allerdings mehr als ein Dutzend Spuren und es gebe auch bereits Verdächtige. Wie College-Präsident Phillip Allington der akademischen Gemeinschaft versicherte, gibt es keinen Grund zur Besorgnis.«
Jetzt kommt ein Ausschnitt aus der Pressekonferenz.
»Wir möchten gern die Gelegenheit ergreifen«, sagt Präsident Allington hölzern, wobei er offensichtlich abliest, was man ihm aufgeschrieben hat, »unseren Studenten und der Öffentlichkeit zu versichern, dass die Polizeibehörden in dieser Stadt ihr Möglichstes tun, um dieses widerwärtige Verbrechen aufzuklären. Wir fordern jedoch unsere Studenten auch auf, zusätzliche Vorsichtsmaßnahmen zu
ergreifen, bis Lindsays Mörder gefasst ist. In unseren Studentenwohnheimen wird zwar Wert auf Gemeinschaftsgefühl gelegt, aber im Moment sollten die Türen besser verschlossen bleiben. Lassen Sie keine Fremden in Ihre Zimmer oder in ein Gebäude auf dem Campus. Die Polizei vermutet zwar, dass das Verbrechen eine einmalige, zufällige Gewalttat war, aber wir müssen trotzdem verstärkt darauf hinweisen, dass jeder Vorsicht walten lassen sollte, bis der Verantwortliche überführt ist …«
Kaum hatte Präsident Allington die Worte »die Türen sollten besser verschlossen bleiben« ausgesprochen, als die Hälfte der Studenten in der Halle auch schon mit besorgten Gesichtern auf die Aufzüge zustrebte. In Gebäuden wie Fisher Hall lassen viele Studenten ihre Zimmertür sperrangelweit offen stehen, sodass auch ungebetene Besucher jederzeit Zutritt haben.
Das würde sich jetzt anscheinend ändern.
Allerdings schien keiner von ihnen daran zu denken, dass Lindsay gar nicht in ihrem Zimmer ermordet worden war. Und von »zufällig« konnte wohl auch kaum die Rede sein, denn ihr Mörder hatte sie und auch die Cafeteria der Fisher Hall zumindest einigermaßen gut gekannt.
Die Studenten mögen ja von alledem keine Ahnung haben, aber bei dem Personal der Cafeteria dürfte das anders aussehen. Erst jetzt, um Viertel vor fünf, nach dem Ende der Pressekonferenz, dürfen sie nach Hause gehen, viel später als sonst nach der Frühschicht. Detective Canavan und seine Kollegen haben sie förmlich auseinandergenommen.
Und doch lächelt Magda, als sie auf mich zukommt, obwohl sie müde sein muss. Sie hat sich die Finger mit Ölreiniger eingerieben und wischt sie gerade mit einem Kleenex
ab. Als sie näher kommt, sehe ich auch, warum: Ihre Fingerspitzen sind schwarz von
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