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Schwere Wetter

Schwere Wetter

Titel: Schwere Wetter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Nygaard
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zu
regnen begonnen, als Lüder nach Kiel zurückkehrte. Auf der Autobahn spritzte
die Gischt hoch, und beim Überholen der sich endlos aneinanderreihenden
dänischen Lkws bewegte er sich teilweise im Blindflug vorwärts. Zum Glück
konnte er kurz hinter der Hochbrücke die Nord-Süd-Magistrale verlassen und auf
der ungleich weniger frequentierten Eckverbindung Richtung Kiel abbiegen. Dort
suchte er direkt das Institut für Informatik der
Christian-Albrechts-Universität auf. Eine freundliche Mitarbeiterin hörte sich
seinen Wunsch an, befragte ihren Rechner und führte Lüder in einen Raum, der
eher einem Aufenthaltsraum als einem Büro glich.
    »Das ist Herr
Rottenberg«, stellte sie einen jüngeren Mann mit schütterem Haar vor. »Er
betreut Herrn McCormick.«
    Der schlanke Mann
mit der runden Nickelbrille stand auf und reichte Lüder die Hand. »Dirk
Rottenberg.« Er bemerkte Lüders Rundblick.
    »Wir leiden unter
Platznot. Hier sind die wissenschaftlichen Mitarbeiter untergebracht. Unser
Prof hat es ein wenig komfortabler. Aber eine Luxuskabine bewohnt er auch nicht
gerade. Was kann ich für Sie tun?«
    »Bei Ihnen ist ein
Amerikaner namens Dustin McCormick eingeschrieben.«
    Rottenberg nickte
versonnen. »Ich erinnere mich. Ich habe ein paarmal mit ihm gesprochen.«
    »Was studiert
McCormick?«
    »Was wohl?
Informatik.«
    »Ist Ihnen
irgendetwas an ihm aufgefallen?«
    Rottenberg
schüttelte den Kopf. »Nicht viel. Ich habe mich gewundert, weil er kaum Deutsch
sprach. Für ein Studium ist das nicht ausreichend. Wir haben uns auf Englisch
verständigt. Gut, das ist unproblematisch, da jeder, der sich mit Informatik
befasst, des Englischen mächtig ist. Dennoch werden die Vorlesungen auf Deutsch
gehalten. Als ich das bemerkte, ich meine sein Defizit in Deutsch, habe ich ihn
darauf aufmerksam gemacht, dass der Studiengang in Flensburg in Englisch
angeboten wird. Aber er beharrte darauf, hier in Kiel zu studieren. Ich kann
Ihnen nicht sagen, wie McCormick die Zulassung erhalten hat.«
    »Wissen Sie, mit
wem er Kontakte pflegte?«
    »Dafür ist der
Betrieb zu groß. Außerdem war er erst seit Kurzem bei uns. Es gab bisher wenig
Berührungspunkte. Ich habe den Eindruck, dass er überhaupt keinen Kontakt
gesucht hat. Über seine Leistung vermag ich nichts zu sagen. Es hat mich aber
erstaunt, dass McCormick anscheinend über ein profundes Fachwissen verfügte.
Sicher kommen heute viele junge Leute zu uns, die mit dem Computer groß
geworden sind. Es macht aber einen Unterschied, ob jemand mit seinen
autodidaktischen Kenntnissen das Informatikstudium aufnimmt oder so auftritt
wie McCormick.«
    »Könnte es sein,
dass der Amerikaner schon über eine fundierte Informatikausbildung verfügte?«
    Rottenberg wiegte
bedächtig den Kopf. »Das ist schwer zu beantworten. Ich habe noch keine
schriftliche Ausarbeitung von ihm gesehen. Wenn Sie mich fragen … Ich würde
es fast bejahen.«
    »Welches Wissen
könnten Sie vermitteln, das neu für jemanden mit einem Informatikstudium ist?«,
fragte Lüder.
    »Puh. Wie soll ich
Ihnen das beantworten? Wie gesagt, dazu gab es zu wenig Berührungspunkte.
Auffällig war auch, dass McCormick deutlich älter als seine Kommilitonen war.«
    »Wie alt?«
    »Moment.«
Rottenberg sah in seinem Computer nach. »Zweiunddreißig«, sagte er. »Das sind
mehr als zehn Jahre über dem durchschnittlichen Einstiegsalter. Schön, es kommt
gelegentlich vor, dass jemand das Studienfach wechselt, nachdem er sich ein
paar Semester auf einer anderen Fakultät gelangweilt hat. Aber in diesem Fall
waren es mehrere Absonderlichkeiten.« Rottenberg musterte Lüder eindringlich.
»Was ziehen Sie daraus für Schlüsse?« Plötzlich fiel ihm etwas ein. »Weshalb
interessieren Sie sich überhaupt für einen unserer Studenten?«
    »McCormick ist
tot. Er wurde ermordet«, erklärte Lüder.
    Rottenberg
durchfuhr sichtbar der Schreck. »Tot?«, wiederholte er. »Das ist unfassbar.
Aber wieso denn?«
    »Das versuchen wir
herauszufinden«, antwortete Lüder.
    »Und was hat das
mit uns zu tun? Sie glauben doch nicht, dass jemand von der Uni daran beteiligt
ist?«
    In diesem Moment
öffnete sich die Tür, und ein anderer jüngerer Mann mit Rauschebart trat ein,
grüßte durch Kopfnicken und knallte sein Notebook auf den Nachbartisch.
    »Hi, Maxi«, grüßte
Rottenberg und zeigte auf Lüder. »Der ist von der Polizei. Einer unserer
Studierenden ist tot.«
    Der andere hielt
in der Bewegung inne. »Was?«, fragte er ungläubig.

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