Schwere Wetter
»Wer denn?«
»McCormick.«
»Dustin?« Jetzt
kam der Mann näher und stellte sich vor: »Maximilian Meerwein.« Er lächelte.
»Meine Studierenden nennen mich immer Meerschwein.« Dann angelte er sich mit
der Fußspitze einen Stuhl und setzte sich dazu.
»Sie nennen
McCormick beim Vornamen?«
»Ach, in der
Informatik nehmen wir es nicht so genau. Wir sind hier eine junge Truppe und an
der Sache interessiert. Da spielen Förmlichkeiten eine Nebenrolle. Außerdem war
Dustin Amerikaner. Wir haben uns auf Englisch unterhalten. Da wäre es doch
merkwürdig, wenn wir beim Wechsel ins Deutsche zum Zunamen und Sie gewechselt
hätten. Hello, Dustin? How are you? Was kann ich für
Sie tun, Herr McCormick?«
»Ich habe gehört,
dass McCormick kein Deutsch sprach«, sagte Lüder.
Meerwein zuckte
die Schultern. »Kann sein. Wir haben Englisch gesprochen. Ist mir gar nicht
aufgefallen. Wir quatschen hier kreuz und quer. Da merkt man gar nicht mehr, in
welcher Sprache man gerade parliert. Aber, was ist nun mit Dustin?«
»Der ist ermordet
worden«, platzte Rottenberg dazwischen.
»Ermordet? Von
wem?« Meerwein war genauso erschrocken wie zuvor Rottenberg.
»Die Ermittlungen
stehen noch am Anfang«, wich Lüder aus.
»Wann? Wo? Wie?«,
fragte Meerwein nach.
»Heute Morgen in
Rendsburg.« Lüder ließ die Frage nach dem Wie unbeantwortet.
»Rendsburg? Was
wollte er in Rendsburg?«, wollte Rottenberg wissen.
»Dort hat er
gewohnt.«
Meerwein
schüttelte seinen Kopf. »Welcher Studierende wohnt denn in Rendsburg?«
Lüder
registrierte, dass nicht nur er sich diese Frage stellte.
»Ihr Kollege
wusste von keinen Kontakten, die McCormick an der Uni geknüpft hatte. Ist Ihnen
etwas bekannt?«
»Nein. Wir haben
uns nur einmal unterhalten. Ich war erstaunt, wie interessiert sich Dustin
zeigte. Er schien mir über ein gut fundiertes Wissen zu verfügen. Wenn Sie es
nicht dem Tell verraten …«
»Wer ist Tell?«,
unterbrach Lüder.
Meerwein lachte
und sah Rottenberg an. »Wilhelm Tell. So nennen hier alle den Prof. Er ist
Schweizer. Professor Ueli Eglschwiler. Also. Dem Tell hätte ich nicht erzählen
mögen, dass Dustin mir Fragen gestellt hat, die ich nicht beantworten konnte.«
»Waren es
spezielle Fragen?«, wollte Lüder wissen.
»Ich bin mir nicht
sicher. Natürlich können alle Erstsemester Würmer und Viren programmieren. Die
werden aber von anderen Studierenden, erst recht aber von uns sofort entdeckt.
Dustin hat mir in wenigen Worten eine Theorie vorgetragen, die ich nicht auf
Anhieb nachvollziehen konnte. Interessant. Sehr interessant. Ich habe ihm
gesagt, dass ich gern etwas ausführlicher mit ihm darüber sprechen wollte.«
Meerwein warf Rottenberg einen fragenden Blick zu. »Sorry, Dirk. Dustin ist
deiner. Aber was er dort aus dem Handgelenk abgespult hat, das war klasse.«
Erneut sah er Rottenberg an. »Ich hätte dich informiert, Dirk. Das Gespräch
hätte ich gern mit dir zusammen geführt.«
Rottenberg schien
zufriedengestellt zu sein, nachdem er zwischendurch einen skeptischen Blick auf
seinen Kollegen geworfen hatte.
»Gibt es sonst
noch etwas aus Ihrer Sicht?«, fragte Lüder zum Abschluss.
Als Antwort
erhielt er ein synchrones »Nein« aus den Mündern der Informatiker.
Bis zum
unscheinbaren Gebäude des Instituts für Rechtsmedizin der Kieler Uniklinik in
der Arnold-Heller-Straße war es nur ein kurzer Weg.
Lüder traf Dr.
Diether auf dem Flur. Der Rechtsmediziner war in ein Gespräch mit einem
Kollegen vertieft. Er zeigte auf Lüder.
»Das sind die
Polizisten von der Mordkommission. Die beeilen sich immer, zu uns zu kommen,
solange die Leichen noch warm sind. Sie grausen sich vor der Kälte.«
»Waidmannsheil«,
grüßte Lüder und erntete einen fragenden Blick des Kollegen.
Dr. Diether winkte
ab. »Das sagt er immer, weil er meint, wir würden nach Jägerart unsere Opfer
aufbrechen.« Er winkte dem Kollegen zu. »Bis später. Du musst mir unbedingt das
Kochrezept geben. Das schmeckt sicher lecker.« Um das zu unterstreichen, fuhr
sich der Arzt mit der Zunge über die Lippen. »Wollen wir erst essen gehen?«,
fragte er Lüder. »Oder wollen wir uns die Leiche ansehen?«
»Leiche«,
antwortete Lüder und folgte Dr. Diether in den Obduktionssaal.
Der
Rechtsmediziner zog sich Einmalhandschuhe über und hielt Lüder ein zweites Paar
hin. Der lehnte dankend ab. Das veranlasste Dr. Diether zu einem Grinsen. Dann
wurde der Mediziner ernst und führte Lüder zu einem mit einem Tuch
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