Schwere Wetter
vertraulicher Bericht des Bundesnachrichtendienstes
vor. Der dortige Resident hat bestätigt, dass Wu aufgefallen war. Man hat ihn
wohl verschont, weil seine Frau eine einflussreiche Funktionärin in der Partei
ist. Das war auch der Grund, weshalb man den Sohn hat reisen lassen. Es hätte
sich, so schreibt der BND , schlecht gemacht, wenn
sich Mann und Sohn einer Funktionärin gegen die Partei und das System stellen.«
»Sind die beiden
hier auffällig geworden?«
»Nein. Negativ.
Ich glaube, die sind froh, dass man sie hier unbehelligt lässt.«
»Der Nächste auf
meiner Liste ist Mahmud al-Rahman.«
»Das klingt
arabisch.«
»Vorurteile?«
»Ich bin vom
Verfassungsschutz und gegenüber jedermann kritisch«, wich Mennchen aus.
Lüder hörte, wie
die Finger des Regierungsamtmanns über die Tastatur huschten.
»Haben wir nicht«,
sagte er. »Aber es gibt einen Verweis, dass die Hamburger sich mit ihm
beschäftigt haben. Die sind seit dem 11. September ausgesprochen sensibel. In
der Branche hat man nicht vergessen, dass die Todespiloten aus Hamburg kamen
und dort studiert haben.«
»Können Sie dort
Erkundigungen einholen und mich informieren?«, bat Lüder.
»Das kriegen wir
hin«, brummte Mennchen.
Zu Frank
Hundertmarck und Dolf Waldow lagen dem Verfassungsschutz keine Informationen
vor.
Obwohl das immer
noch schlechte Wetter alles in ein trübes Grau kleidete und die wenigen
Blätter, die sonst eine Ahnung des herbstlichen Farbfeuerwerks verbreiteten,
eher trist an den Ästen hingen, empfand Lüder es immer wieder als reizvoll,
über Land zu fahren, fernab der Autobahnen Gegenden zu durchstreifen, die der
eilige Reisende nicht zu Gesicht bekommt. Er fühlte sich nahezu entspannt, als
er den Naturpark Aukrug durchquerte. Er musste sogar ein wenig lächeln, als er
an Begriffe wie »Hungriger Wolf« und »Langer Peter« dachte. »Hungriger Wolf«
lautete der Name eines ehemaligen Militärflugplatzes nahe Itzehoe, während der
»Lange Peter« eine Straße in der Kreisstadt war.
Nicht weit
entfernt, in Kellinghusen, war Lüder groß geworden. Dort wohnten noch heute
seine Eltern. Und wenn die jungen Leute damals »etwas erleben« und der Enge der
überschaubaren Kleinstadt entfliehen wollten, dann fuhren sie nach Itzehoe.
Lüder umfuhr das
Stadtzentrum und steuerte Richtung Norden. Er war nicht überrascht, dass man
hier immer noch baute. Es waren zwar keine Arbeiter zu sehen, aber die
Baustelle wurde von der »Verwaltung« sorgfältig gehegt und gepflegt. Angeblich
hatte man das Vorhaben zurückstellen müssen, weil irgendjemand vergessen hatte,
das Gewerk europaweit auszuschreiben. Das Bürokratiemonster streckte überall
seine Fangarme aus. Nur in der neuen Cyberwelt lief vieles schneller, als man
es sich vorstellen konnte. Damit kehrten seine Gedanken zu seinem Auftrag
zurück.
Lüder fädelte sich
auf die Autobahn Richtung Norden ein und verließ sie bereits an der nächsten
Abfahrt Itzehoe Nord, an der ein Schild auf das »Innovationszentrum
Krankenhaus« hinwies. Er wusste, dass damit zwei unterschiedliche Institutionen
gemeint waren. Dennoch klang es missverständlich, als würde man auf ein
experimentierfreudiges Hospital verweisen wollen.
Nur wenige Meter
hinter der Abfahrt lag – mitten auf der grünen Wiese – das Fraunhofer-Institut
für Siliziumtechnologie. Fast nebenan stand ein Neubau, der auf den ersten
Blick futuristisch wirkte und nur aus verspiegeltem Glas zu bestehen schien.
Das Haus wies eine merkwürdige, nicht symmetrische Form auf. Mit ein wenig
Phantasie konnte man sich vorstellen, dass es einen Diamanten darstellen
sollte. Ein interessanter Vergleich, dachte Lüder, schien das IT -Business doch eine wahre Goldgrube zu sein.
Die Betreiber
wollten mit ihrem geschäftlichen Erfolg aber offensichtlich nicht protzen.
Nirgendwo fand er einen Hinweis auf den Namen des Eigentümers.
Als er sich dem
Eingangsbereich näherte, summte es leise, eine Tür glitt zur Seite und gab den
Zutritt zu einem Foyer frei, das ein Innenarchitekt aus einem
Science-Fiction-Film entlehnt zu haben schien. Hinter einer Glaswand saß eine
junge Frau, die mittels einer Gegensprechanlage Kontakt zu ihm aufnahm.
»Lüder. Polizei
Kiel. Ich möchte gern mit der Geschäftsleitung sprechen.«
»Darf ich Ihren
Personalausweis haben?«, fragte die Frau im Gegenzug. In der Glaswand öffnete
sich eine Klappe und gab eine Schublade frei.
»Meinen
Dienstausweis«, sagte Lüder und legte das Dokument in das
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