Schwere Wetter
Lüder ein. »Ich habe eine weitere Frage. Marc Wullenweber hat
von Ihnen ein gut dotiertes Angebot erhalten, sich aber doch entscheiden, für
das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz tätig zu werden. Können Sie sich
das erklären?«
»Warum sollte ich?
Es gibt viele junge Leute, die zu uns kommen wollen. Wir sind innovativ,
modern, haben eine schlanke Struktur.« Malmström streckte die Hand aus. »Sehen
Sie sich um. Hier stimmt alles. Wir sind in der glücklichen Lage, uns aus den
Bewerbungen die Besten heraussuchen zu können.«
»Das klingt sehr
verlockend. Nur einer ist bei Ihrem Angebot nicht schwach geworden: Marc
Wullenweber. Ich frage mich, warum?«
»Da müssen Sie ihn
selbst fragen.« Malmström war es nicht gelungen, den zynischen Unterton zu
verbergen. Natürlich wusste der Mann, dass Wullenweber tot war. Wollte er Lüder
weismachen, dass er davon keine Kenntnis erhalten hatte? Oder war es wirklich
blanker Zynismus?
»Ich soll Ihnen zu
guter Letzt noch viele Grüße von Dustin McCormick ausrichten«, sagte Lüder und
ließ es beiläufig klingen.
»Dustin?«
Malmström sah Lüder erschrocken an. Es war nur ein winziger Moment gewesen, in
dem er sich verraten hatte. Sofort versuchte der Schwede seinen Fehler zu
korrigieren. »Dustin … wer?«
»Ihre Frage ist
überflüssig. Dustin hat mir verraten, dass Sie sich kennen«, antwortete Lüder.
Belustigt konnte er feststellen, dass er Malmström mit dieser Behauptung völlig
aus dem Konzept gebracht hatte. Der Mann öffnete den Mund, als wolle er etwas
sagen, schluckte es aber doch hinunter.
Lüder sprang von
der Schreibtischkante. »Vielen Dank für die zahlreichen Informationen, mit
denen Sie mir weitergeholfen haben«, sagte er und ergänzte, als Malmström
aufspringen wollte: »Ich finde allein hinaus. Die Technik wird mir den
richtigen Weg weisen.« Dabei hob er seinen Arm mit dem Transponder am Gelenk.
Lüder drehte sich
um und ging Richtung Ausgang. Er spürte, wie Malmström ihm folgte und den
Schritt beschleunigte, um aufzuschließen. Auf dem Gang kam ihm ein jüngerer
Mann entgegen, der gedankenverloren in einem Papier blätterte, das er vor der
Brust hielt. Lüder registrierte, dass die Augen des Mannes nur einen Herzschlag
lang aufblickten, als müsse er sich orientieren, der Blick dann aber wieder
aufs Papier fiel. Der Mann rannte direkt auf Lüder zu und stieß mit ihm
zusammen.
Er hob den Kopf,
versuchte irritiert auszusehen und murmelte: »Oh Verzeihung. Ich war unachtsam.
Das tut mir leid.«
Rasch trat der
Mann zur Seite und ließ Lüder und den ihm folgenden Anders Malmström passieren,
um dann seinen Weg fortzusetzen.
Am Empfang gab
Lüder den Transponder zurück und erhielt seinen Dienstausweis. Die
Verabschiedung von Malmström fiel unterkühlt aus.
Lüder kehrte zu
seinem BMW zurück. Erst als er hinter dem Lenkrad
saß, öffnete er die Hand und las den kleinen gelben Post-it-Zettel, den ihm der
Mann bei ihrem Zusammenstoß in die Hand gedrückt hatte. Es war eine
Zahlenkombination, beginnend mit 04858. Es handelte sich um eine Telefonnummer,
vermutete Lüder. Sonst stand nichts auf dem Zettel.
Auf der Mailbox
hatte Geert Mennchen vom Verfassungsschutz eine Nachricht hinterlassen und bat
um Rückruf. Der Regierungsamtmann musste am Telefon auf Lüders Anruf gewartet
haben. Er war sofort am Apparat.
»Die Hamburger
Kollegen haben Mahmud al-Rahman gecheckt«, erklärte er. »Der kommt aus
Jordanien. Einflussreiche Familie. Der Vater ist Professor an der Universität
in Amman. Al-Rahman ist gläubiger Moslem und besucht regelmäßig die Moschee.«
Mennchen nannte den Namen einer Gemeinde. »Da verkehren nur gemäßigte Gläubige,
die ihrem Glauben nachgehen. Hinweise auf Hass- und Gewaltpredigten sind nicht
bekannt. Es gibt keinen einzigen Bezug zur terroristischen Szene. Absolut
unauffällig. Nachdem al-Rahman sich als außergewöhnlich kluger Kopf erwiesen
hatte, wurden weitere Observierungen eingestellt. Es gibt einen Vermerk, dass
sich einflussreiche Leute für al-Rahman eingesetzt haben. Man würde es gern
sehen, wenn er sein Wissen und seine Fähigkeiten hier in Deutschland anwenden
würde.«
Das waren
Informationen, die Lüder nicht weiterführten. War der Jordanier wirklich eine
Sackgasse in den Ermittlungen?
Lüder hatte
inzwischen Itzehoe verlassen. Er hatte kurz überlegt, seine Eltern in
Kellinghusen zu besuchen. Man schob stets Gründe und Zeitmangel vor, um solche
Gelegenheiten nicht zu nutzen,
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