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Schwere Wetter

Schwere Wetter

Titel: Schwere Wetter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Nygaard
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war
appetitlos.
    »Brütest du etwas
aus?«, fragte Margit und kontrollierte durch Handauflegen die Temperatur der
Jüngsten auf der Stirn.
    »Ich bin doch kein
Huhn«, entrüstete sich Sinje.
    »Doch«, sagte
Jonas. Er war kaum zu verstehen, weil er den Versuch unternommen hatte, eine
halbe Scheibe Brot in den Mund zu schieben.
    Margits
Maßregelung überhörte er.
    »Du bist sogar ein
blödes Huhn«, begründete Jonas seinen Einwand.
    »Jonas«, wies ihn
Lüder zurecht. »Gegenüber Frauen verhält sich der Kavalier anders.«
    »Die ist doch
keine Frau«, behauptete Jonas.
    »Doch«,
widersprach Sinje.
    Jonas deutete mit
beiden Händen üppige weibliche Rundungen an.
    »Du hast ja keinen
Busen.«
    Lüder unterbrach
diesen Disput mit einem Machtwort. Ihm war nicht daran gelegen, auch noch am
heimischen Herd sinnlose Diskussionen führen zu müssen. Blödsinn hatte er sich
im Laufe des Tages genug anhören müssen.
     
    Es kostete ihn die
übliche Überredungskunst, Sinje zu erklären, dass es Zeit fürs Schlafen sei.
Aus Jonas' Zimmer drang währenddessen das Gehämmer irgendwelcher Spiele, die er
übers Internet mit Freunden betrieb.
    »Sag mal«, fiel
Lüder ein, und er sah Margit an. »Unsere Dauerthemen Dach und Auto. Hast du
schon etwas von der Bank gehört, ich meine, wegen des Kredits, den du aufnehmen
wolltest?«
    Margit tat, als
hätte sie es nicht gehört. Lüder wiederholte seine Frage.
    »Vielleicht ist
das doch nicht der richtige Weg«, erwiderte Margit lapidar. »Ich glaube, du
hast recht.«
    Lüder stellte sich
vor sie, legte seine Hände auf ihre Wangen und drehte ihr Gesicht zu seinem.
»Wenn du so sprichst, dann ist irgendetwas.«
    Margit wich seinem
Blick aus. »Nö«, sagte sie kurz angebunden und wollte sich seinem Griff
entziehen. Doch Lüder hielt sie fest. Schließlich legte sie ihren Kopf an seine
Schulter. »Manches ist ungerecht auf der Welt. Und ich verstehe es nicht.«
    »Welche Laus ist
dir über die Leber gelaufen?«
    »Ich sollte heute
Bescheid bekommen – wegen dem Kredit.«
    »Des Kredits«,
korrigierte Lüder sie.
    Doch Margit ging
nicht darauf ein. »Da werden Milliarden den Griechen und anderen maroden
Staaten in den Rachen geworfen, Banken, die sich verzockt haben, werden mit
Unsummen gefüttert. Und mir versagt man einen Kleinkredit über lächerliche
zweitausend Euro, weil ich keine Sicherheiten habe.«
    »Abgelehnt«,
stellte Lüder fest.
    Sie nickte stumm.
    »Gab es eine
Begründung?«
    »Ja – ich bin ein
unsicherer Kantonist. Bei mir wäre die Rückzahlung nicht gewährleistet, hat der
Mensch von der Bank gesagt. Ich habe nicht lockergelassen und nachgehakt. Ich
habe ihm gesagt, du hättest eine krisensichere Position. Und?« Sie sah zu Lüder
auf. »Dann sollst du kommen. Es sei nicht das Gleiche. Schließlich sind wir
nicht verheiratet, ich habe kein Einkommen. Bin ich wirklich ein Nichts?«
    Lüder streichelte
ihr sanft über den Kopf. »Nein. Für mich – für uns alle hier – bist du die
Allergrößte.«
    »Wird man
abgeschrieben, weil man die Kinder versorgt? Es würde an meinem Score liegen, hat mir der Bankmensch gesagt. Er bedauere,
aber ihm seien die Hände gebunden. Da könne er nichts machen.« Erneut sah sie
zu Lüder auf. »Weißt du, wie das mit diesem Scoring funktioniert?«
    »In groben Zügen«,
erwiderte Lüder. »Jeder Mensch wird nach einem solchen Verfahren eingestuft. Da
werden der Familienstand und der Beruf bewertet.«
    »Unverheiratet und
Kinder, nicht berufstätig, kein eigenes Einkommen – das gibt Minuspunkte«,
unterbrach ihn Margit.
    Lüder nickte.
»Richtig. Dann berücksichtigt man deine bisherige Teilhabe am Wirtschaftsleben,
hast du Schulden, liegen Mahnverfahren vor, bist du mit Teilzahlungen im
Rückstand, offene Telefonrechnungen und vieles mehr. Aber auch, ob du geregelte
Verbindlichkeiten hast, also Kredite, selbst wenn du sie pünktlich
zurückzahlst. Ist dein Girokonto ständig überzogen?«
    »Ich bin in dieser
Hinsicht ein Musterbürger«, sagte Margit. »Insofern verstehe ich den negativen
Scorewert nicht, den man mir angeheftet hat.«
    »In diese
Bewertung fließen noch andere Faktoren ein, zum Beispiel, wo du wohnst. Und ein
Haus im Hedenholz hat nicht den höchsten Score .«
    »Aber wieso? Hier
wohnen doch lauter anständige und redliche Leute.«
    »Schon, aber alle
gutbürgerlich. Das ist etwas anderes als in Kampen auf Sylt.«
    Margit schüttelte
sich. »Ich fühle mich in unserem Stadtteil aber wohler. Mir gefällt es

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