Schwere Wetter
Gegenfrage. Er gab selbst die
Antwort. »Aber gut fühlte ich mich nicht. Es war ein glücklicher Umstand, dass
Wu Zang Tian mich am Abend anrief. Er hatte noch eine fachliche Frage, wollte eine
Entscheidung von mir. Gerüchte haben schnelle Beine, und so hatte Tian bereits
davon gehört, dass ich nicht mehr zuständig war.«
»Das verstehe ich
nicht«, unterbrach Lüder. »Wenn Wu Zang Tian bereits wusste, dass Sie gefeuert
waren, warum wollte er von Ihnen noch etwas wissen?«
»Es gab ein
Gerücht, das kreiste. Ich habe mich auch mit einer Ausrede davor bewahrt, einen
Fehler zu machen, weil ich im Stillen hoffte, meine fristlose Kündigung wäre
ein Irrtum. Das Bangen dauerte die ganze Nacht. Am Freitag bin ich Tians Rat
gefolgt und habe seinen Vater aufgesucht.«
»Den Heilpraktiker
Dr. Wu Cheng Jie?«
»Ja. Ich bin mit
kalter und berechnender Technologie aufgewachsen, glaubte nur Zahlen und
Fakten. Dr. Wu stammt aus einer anderen Welt. In seiner Praxis findet sich
keine moderne Technik. Der Mann hört den Patienten zu und starrt während der
Konsultation nicht unentwegt auf den Bildschirm. Bei Dr. Wu wirkt alles
antiquiert und altbacken. Zum ersten Mal wurde mir bewusst, dass es auch noch
eine andere Welt gibt als die der Computer. Es war wohltuend, mit dem alten
Mann über meine Probleme zu sprechen, sich manches von der Seele zu reden. Mit
wem hätte ich sonst sprechen sollen? Er hat sich mit typisch asiatischem
Gleichmut meinen Kummer angehört, ohne ein Wort zu verstehen.«
»Sie haben ihm
auch Geheimnisse anvertraut?«
»Nein. Natürlich
nicht. Davon hätte er ohnehin nichts verstanden. Ich habe einfach nur geredet
und fand es wohltuend, dass mir jemand zugehört hat. Ich habe Informatik
studiert, Zahlen, Algorithmen, nüchterne Sachlichkeit. Von Schnickschnack wie
traditioneller Medizin halte ich nichts. Ehrlich. So habe ich auch mit einer
großen Portion Skepsis die Arznei genommen, die Dr. Wu gemixt hat. Danach habe
ich geschlafen wie tot. Ich glaube, bis heute durch.« Zum ersten Mal zeigte
sich der Anflug eines Lächelns auf Hundertmarcks Gesicht. »Ich will nicht
behaupten, dass alles wie weggeblasen ist, aber das Mittel hat Wunder gewirkt.«
»Wie lange waren
Sie bei Dr. Wu?«, fragte Lüder.
»Was weiß ich. Ist
das wichtig?«
»Da Sie nun von
Ihrer Verschwiegenheitspflicht entbunden sind, würde mich interessieren, womit
sich die ›securus consulting‹ beschäftigt hat.«
»Das ist ein
weites Feld.«
Lüder wunderte
sich, dass Hundertmarck dieses Mal die Frage nicht abblockte.
»Es geht um die
Erstellung von Sicherheitskonzepten, technisch wie organisatorisch.«
»Das heißt, Sie
haben Software entwickelt, mit der Viren und Angriffe auf Computersysteme
erkannt und bekämpft werden.«
»Ja.«
»Wie in den
Fällen, in denen Dolf Waldow Sie um Unterstützung gebeten hat.«
»Das waren
Peanuts, wenn ich mit dieser Formulierung eine Anleihe beim ehemaligen
Vorstandssprecher der Deutschen Bank nehmen darf. Daran haben unsere
Nachwuchskräfte geübt. Wir haben nicht viel daran verdient. Das meiste ist für
die Vermittlungsprovision für Waldow draufgegangen.«
»Waldow hat bei
Ihnen dafür kassiert, dass er Ihnen diese Geschäfte verschafft hat?«
»Richtig. Aber –
wie gesagt. Das war Kleinkram. Ein paar tausend Euro.«
Für Lüder war es
eine weitere Bestätigung für die krummen Geschäfte, die Dolf Waldow auf eigene
Rechnung betrieb. Aber das war ein Nebenschauplatz.
»Ihr
Hauptaugenmerk galt großen Kunden?«
»Ja. Damit ist
heutzutage Geld zu machen. Die Gefahr lauert überall. Sie können
professionellen Hackerangriffen nicht mit der Software begegnen, die private
Anwender auf Ihrem Heim- PC installiert haben.
Dazu bedarf es anderer Konzepte.«
»Und an solchen
haben Sie bei ›securus consulting‹ gearbeitet?«
»Sogar sehr
erfolgreich.«
»Wie können die
das fortsetzen, wenn ihnen mit Ihrem Ausscheiden der führende Kopf fehlt?«
Hundertmarck
winkte ab. »Ich war derjenige, der die Organisation zusammengehalten hat.
Glauben Sie nicht, dass ich mit jedem technischen Detail vertraut war.«
»Waren Mahmud
al-Rahman und Wu Zang Tian die führenden Entwickler?«, fragte Lüder.
»Das könnte man so
sehen.«
»Die waren aber
auch bei der ›global data framework‹ tätig?«
»Sicher. Das ist
ja derselbe Konzern.«
Lüder nickte
versonnen. »Das erklärt auch, dass Anders Malmström bei beiden Unternehmen
Mitglied der Geschäftsführung ist.«
»Das
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