Schwere Wetter
Seltsames, etwas wie Wind, etwas wie ein Fell, etwas wie eine Flamme. Etwas Weißes, Streifiges, gasförmig Spitzes, etwas Flackerndes, sich Kräuselndes, an den Ecken der metallenen Stützpfeiler und Querverstrebungen des alten Mastes. Nur auf einer Seite, an einem Metallrand des Mastes hoch und runter laufend, wie leuchtendes Kugelmoos. Es zischte, und es flackerte, und es bewegte sich unstet, wie der zischende Atem von Gespenstern. Jane beobachtete es unverwandt durch den Kamerasucher und rief unsicher aus: »Jerry! Was ist das?«
»Das ist Elmsfeuer.«
Auf einmal spürte Jane, wie sich ihre Kopfhaare aufrichteten. Sie unterbrach die Aufzeichnung nicht, doch das elektrische Feuer hatte sie nun erfaßt, es war heruntergekrochen und mit ihr in den Wagen eingedrungen. Die Korona hob ihr Haar, bis es wie ein Nadelkissen aussah. Von ihrem Kopf entlud sich natürliche Elektrizität. Ihr ganzer Schädel, vom Hals bis zur Stirn, fühlte sich einen Moment lang an wie ein Augenlid, das sanft zurückgeklappt wurde.
»Ich habe so was schon mal am Pike's Peak gesehen«, sagte Jerry. »Aber noch nie in so niedriger Höhe.«
»Kann es uns gefährlich werden?«
»Nein. Wenn die Welle vorbei ist, müßte es wieder aufhören.«
»Ist gut. Ich habe keine Angst.«
»Zeichne weiter auf.«
»Keine Bange, ich hab's drauf.«
Und in weniger als einer Minute war die Welle vorbeigezogen. Und das seltsame Feuer war wieder vollkommen verschwunden. Als wäre nichts gewesen.
Es war sehr schwer, beieinander zu schlafen, wenn man nicht miteinander schlafen durfte. Jane hatte häufig Schwierigkeiten einzuschlafen, sie neigte dazu, rotäugig herumzustöbern und die Nacht durchzumachen. Jerry hatte diese Probleme nicht. Jerry konnte immer und überall ein Nickerchen einlegen; er konnte den VR-Helm ausschalten, sich auf den Teppich legen, den Kopf im schwarzen Innern des Helms, eine Viertelstunde schlafen und wieder aufstehen und seine Berechnungen fortführen.
Heute jedoch war Jerry zwar ruhig und still, doch er schlief nicht. Jane hatte den Kopf in die Höhlung seiner linken Schulter gebettet, ein Ort, der wie geschaffen für sie war, der Ort, an dem sie die süßesten und erholsamsten Nächte ihres Lebens zugebracht hatte. Wenn sie von der Jagd gekommen waren und sich heftig geliebt hatten, warf sie immer besitzergreifend ein nacktes Bein über ihn und bettete ihren Kopf auf seiner Schulter, und dann schloß sie die Augen, hörte sein Herz schlagen und fiel in einen dunklen, gesättigten Schlaf, der so tief und heilsam war, daß er selbst Lady Macbeth zur Vernunft gebracht hätte.
Jedoch nicht heute nacht. Ihre Nerven waren so straff gespannt wie eine Mariachi-Violine, und Jerry vermittelte ihr keinen Trost. Irgendwie roch er nicht richtig. Und sie roch auch nicht richtig; sie roch nach medizinischer Vaginalsalbe, wahrscheinlich der am wenigsten erotische Geruch weit und breit. Aber ehe nicht wenigstens einer von ihnen wirklich Ruhe fand, würde etwas Schreckliches passieren.
»Jerry?« sagte sie. In der Stille des Camps - man vernahm nur das Zirpen der Insekten, das ferne Zischen des Windgenerators - klang selbst ein zärtliches Flüstern so laut wie ein Pistolenschuß.
»Hmmm.«
»Jerry, mir geht's schon wieder besser, wirklich. Vielleicht sollten wir's mal probieren.«
»Ich finde, das wäre keine gute Idee.«
»Okay, vielleicht hast du ja recht, aber es gibt keinen Grund, warum wir stocksteif daliegen sollten. Laß mich mal was probieren, Schatz, mal sehen, ob du dich dann nicht besser fühlst.« Ehe er antworten konnte, langte sie hinunter und umfaßte sein Glied.
Es fühlte sich so seltsam und heiß an, daß sie einen Moment lang meinte, etwas stimme nicht mit ihm. Dann wurde ihr klar, daß er kein Kondom anhatte. Sie berührte seinen Penis nicht zum erstenmal, hatte ihn auch schon gestreichelt und im Mund gehabt, aber noch nie ohne Kondom.
Na ja, schaden konnte es ja nicht. Nicht, wenn sie sich auf die Finger beschränkte.
»In Ordnung?« fragte sie.
»In Ordnung.«
An Enthusiasmus fehlte es ihm offenbar nicht. Und wenn sie jetzt aufgehört hätte, im Stockdunklen aufgestanden und ihn gebeten hätte, ein Kondom anzulegen, wäre das ein Mordsaufstand gewesen. Also, was soll's; so weit, so gut. Sie streichelte ihn geduldig und beharrlich, bis sie einen schlimmen Krampf im Unterarm bekam. Dann beugte sie sich in den Schlafsack hinunter und probierte es eine Weile mit der Zunge und den Lippen, und wenn er auch nicht
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