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Schwere Wetter

Titel: Schwere Wetter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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anschließend aus uns?«
    »Jerry…« Sie biß sich auf die Lippe. »Jerry, ich verspreche dir, solange ich bei dir bin, wird es dir niemals an Aufgaben und an einem Grund zu leben mangeln. Okay?«
    »Das ist lieb von dir, aber das ist nicht der Punkt«, meinte er traurig. »Es ist schwer zu erklären, aber… Ich brauche meine Arbeit. Und die Aufgabe muß groß sein, größer als ich, ich brauche einfach den Umgang mit etwas Größerem. Das bin auch ich, das ist ein Teil von mir, aber das ist auch etwas, über das ich keine Kontrolle habe. Das ist wie eine Kraft, ein Zwang, der an den Dingen zerrt, sie zerfetzt und verdaut und sie versteht, und ich habe keine Kontrolle darüber, habe sie niemals gehabt. Es geht einfach nicht. Verstehst du das?«
    »Ja. Das verstehe ich. Das ist, als hätte man einen Zacken in sich drin.«
    »Ja.«
    »Ich hab auch einen, weißt du. Er ist bloß völlig verschieden von deinem. Und mit dir zusammen zu sein, Jerry, hilft mir, damit klarzukommen! Was zwischen uns ist, was wir einander geben, ist nicht schmerzhaft oder verbogen oder zerstörerisch, sondern wahrhaft gut und stark! Wir bekommen eine Menge Leid zu sehen. Und ich weiß nicht, vielleicht ist die Welt ja zum Untergang verurteilt. Und wir studieren die Zerstörung, Tag für Tag. Aber das, was inmitten dieses ganzen Wirrwarrs zwischen uns ist, das ist wahrhaft gut und stark! Das hat nichts Schwaches oder Zerbrechliches an sich. Ich werde niemals jemanden so lieben, wie ich dich liebe.«
    »Aber wenn das Monster alles zertrümmert hat, wenn alles kaputtgeht und wir mit dazu?«
    »Dann werde ich dich immer noch begehren und lieben.«
    »Vielleicht wird nach dem F-6 ein ganz anderer Mensch aus mir. Ich weiß, daß ich nicht stehenbleiben kann. Ich werde mich verändern müssen, da führt kein Weg dran vorbei. Wer weiß? Vielleicht werde ich dann wie Leo.«
    Sie straffte sich. »Was meinst du damit? Sag es mir.«
    »Ich meine damit, daß ich einfach bloß Zeugnis ablege, Jane. Die Truppe, wir alle legen Zeugnis ab. Halb Oklahoma könnte in dem Chaos untergehen, und wir werden bloß Zeugnis ablegen. Aber manche reden über das Wetter - wie du und ich -, während andere etwas dagegen unternehmen. Leo und seine Freunde, seine Leute, die tun alle was. Er ist ein Mann von Welt, mein älterer Bruder, ein Mann der Tat, ein Mann mit Einfluß. Und es ist eine furchtbare Welt, und mein Bruder tut manche furchtbaren Dinge. Ich schaue der Zerstörung zu, aber Leo unternimmt etwas dagegen. Ich habe nichts als meine Augen, aber Leo hat Hände.«
    Jerry schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht genau, was Leo getan hat oder wie er es getan hat und wem er geholfen hat - er erzählt mir nichts, aus guten, praktischen Gründen, und ich will es auch gar nicht wissen. Aber ich kenne den Grund. Ich weiß, warum Leo sich so verhält, und ich weiß, warum ihn das Handeln fasziniert. Weißt du, es geht nicht bloß um einen vereinzelten, vorübergehenden, örtlich begrenzten Schrecken wie bei einem Zacken. Die moderne Welt der globalen strategischen Politik und Wirtschaft, das ist Leos Welt, und die umfaßt acht Milliarden Menschen, die die Kontrolle über ihr Schicksal vollständig verloren haben und den Planeten bis auf die Knochen abnagen. Das ist unsere Zivilisation, verwandelt in einen endlosen, allesverzehrenden Schrecken, als was sich auch der F-6 am Ende herausstellen könnte. Und Leo lebt mitten drin, nimmt die Energie in sich auf und versucht, sie sich zunutze zu machen. Er wünscht sich sehnlichst, daß ich mich ihm anschließe, weißt du. Und ihm dabei helfe, das Chaos einzudämmen, mit welchen Mitteln auch immer. Und ich verstehe meinen Bruder. Ich kann ihm das nachfühlen. Mein Bruder und ich, wir haben dasselbe Leiden. Wir verstehen einander, wie es nur wenige Menschen tun.«
    »Also gut«, sagte Jane. Sie legte ihre Hand auf seine. »Jerry, wenn alles vorbei ist, dann tun wir genau das. Wenn der F-6 vorbei ist und alles hinter uns liegt, dann schließen wir uns deinem Bruder an. Du und ich, wir beide, und wir befreien ihn aus den Schwierigkeiten, in denen er steckt, worin sie auch bestehen mögen, und bringen ihn auf den rechten Weg.«
    »Das ist eine große Herausforderung, Schatz.«
    »Jerry, du hast gesagt, du wolltest eine große Herausforderung. Na, und die hast du, das ist mir jetzt klar. Es ist mir egal, wie viele Freunde dein Bruder in der Politik hat, er stellt ein großes Problem dar, aber er ist auch bloß ein Mensch, und er ist

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