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Schwere Wetter

Titel: Schwere Wetter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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andere hier gewesen. Die meisten Radarschüsseln waren von Einschüssen durchsiebt, manche davon alt, manche neu. Eine Vandalen-Gang hatte die Blockhäuser der Sendemasten mit mittlerweile verwitterten Graffitis geschmückt. Mit veralteten psycho-radikalen Slogans wie ZERSCHLAGT DEN STIMMEMMARKT und SOLLEN SIE DOCH DATEN FRESSEN und HEULENDER WOLF ÜBERLEBT, ausgeführt mit der irren Intensität, die großstädtische Graffiti früher einmal besessen hatte, ehe sie ihren Schwung auf einmal unerklärlicherweise verloren hatte und die Praxis des Sprühens erst ausgetrocknet war und dann irgendwann aufgehört hatte.
    Es gab eine Feuergrube mit alten, verkohlten Mesquitstrünken darin, einen Haufen zerbeulter Bierdosen, die Art alter Aluminiumdosen, die sich im Regen nicht auflösten. Man konnte sich gut vorstellen, wie diese modernen luddistischen Maschinenstürmer hier oben mit ihren Geländemotorrädern und Pistolen rumgegrölt und ihre Ghettoblaster hatten spielen lassen.
    Jane fand diesen Ort höchst deprimierend, irgendwie noch einsamer, als wenn überhaupt noch nie jemand hier gewesen wäre. Sie fragte sich, was für eine Gang das wohl gewesen sein mochte, was, zum Teufel, sie gemeint hatten, hier draußen verloren zu haben, und was wohl aus ihnen geworden war. Vielleicht waren sie einfach bloß tot, so tot wie die Feuersteinleute von Folsom Point. Der Bundesstaat Texas war mit dem Strick, dem Stuhl und der Nadel immer rasch bei der Hand gewesen, und in der Anfangszeit der Haftverschonungshandschellen hatte man sich noch kaum etwas dabei gedacht, sie mit Nervengift narrensicher zu machen. So waren halt die Vorschriften gewesen - eine saubere und legitime Methode, Menschen auszulöschen. Wenn die Gang von Rangern erwischt worden war, dann gab es jetzt irgendwo am Straßenrand ein paar ungekennzeichnete Gräber, grüne Hügel auf irgendeiner unkrautüberwucherten Weide. Vielleicht hatten sie sich auch selbst in die Luft gejagt bei dem Versuch, aus einfachen Haushaltschemikalien Vernichtungsbomben zu basteln. Oder waren sie wieder vernünftig geworden und hatten im sogenannten wirklichen Leben Fuß gefaßt? Hatten sie jetzt Jobs?
    Einmal hatte sie Carol taktvoll nach dem Untergrund gefragt, und Carol hatte barsch geantwortet: »Es gibt keine alternative Gesellschaft mehr. Bloß Menschen, die aller Voraussicht nach überleben werden, und solche, die's nicht tun werden.« Dem hatte Jane nur zustimmen können. Denn ihrer Erfahrung mit Bombenlegern nach waren die Leute, die sich mit dieser radikalen Kacke abgaben, genau wie die Ranger, bloß dümmer und weniger geschickt.
    Die Sonne ging unter. Im Westen, unter den sich auflösenden Wolken, machte Jane mit intensiver, wunderbarer Klarheit die skelettartigen Silhouetten weitentfernter Bäume aus. Die Bäume waren viele Kilometer entfernt und nicht größer als eine Nagelschere, und dennoch konnte sie in der klaren, stillen Luft die Form jedes einzelnen Astes erkennen, scharf abgehoben von den Farben rund um die Sonne, große Bänder zarter, abgestufter Wüstenfarbe, die von Umbra über Bernstein bis zu durchscheinendem Perlweiß reichte.
    Die Jagd war vorbei. Es war Zeit, ins Camp zurückzufahren.
    Jerry holte die Dreifußantenne aus der Tasche, klappte das Gestell auseinander und zog die Antenne auf volle Länge aus.
    Und dann legte sich der Wind. Und es wurde sehr still.
    Und dann wurde es heiß.
    Jane blickte auf die Barometeranzeige. Der Luftdruck stieg - die Bewegung der Nadel war deutlich zu sehen.
    »Was ist los?« fragte sie.
    »Eine einzelne Welle«, antwortete Jerry. »Muß sich irgendwie vom Hoch abgespalten haben.« Kein Wind, kein wahrnehmbarer Luftzug, sondern eine Art Druckwelle in der Atmosphäre, ein sich lautlos ausbreitender Anstieg von Druck und Hitze. In Janes Ohren knackte es laut. Die heiße Luft fühlte sich sehr trocken an, und sie hatte einen eigenartigen Geruch. Sie roch nach Dürre und nach Ozon.
    Als Jane sich an den Wagen lehnte, sprang von der Wagentür mit einem vernehmbaren Knall statische Elektrizität auf sie über.
    Jerry schaute zu den höchsten Mikrowellenantennen hoch. »Jane«, meinte er in gepreßtem Ton, »steig in den Wagen,
    schalt die Kameras ein. Irgendwas geht da vor.«
    »Ist gut.« Sie kletterte in den Wagen.
    Es wurde dunkler, und dann hörte sie es. Ein dünnes, fließendes Zischen. Kein Knistern, eher ein Geräusch wie von entweichendem Gas. Vom hohen Sendemast ging irgend etwas aus, es sickerte aus ihm hervor, etwas sehr

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