Schwere Wetter
Begrasung aufgehört hat, ist der Druck von den einheimischen Pflanzen genommen. Es wird auch nicht mehr gepflügt, es gibt keine Getreidefelder, keine Herbizide und keinen Kunstdünger mehr. Daher entwickeln sich einige dieser einheimischen Pflanzen trotz des schlechten Wetters erstaunlich gut. So Zeug wie die Mohnmalve, oder Ackerhahnenfuß oder die Präriezwiebel. Für eine ganze Stadt würde es bei weitem nicht reichen. Aber für einen kleinen Stamm umherziehender Nomaden, die weite Gebiete abernten, nun, für den gibt es eine Menge Nahrung hier draußen, besonders im Frühjahr und im Sommer.«
»Ich schätze, die Truppe hat ziemliches Glück gehabt, daß du hier gelandet bist«, sagte Alex.
»Nein«, erwiderte Ellen Mae, »mit Glück hat das nichts zu tun.«
Nachdem Jerry und Sam über der Wettervorhersage gegrübelt hatten und nachdem Joe Brasseur eine legale Datenbank nach geeigneten Lagerplätzen durchforstet hatte, entschieden sie sich für ein Ziel und gaben die Route bekannt. Die Truppe brach das Lager ab.
Joe Brasseur, das älteste Gruppenmitglied, hatte das Abbrechen des Lagers einmal als ›arbeitsintensiv‹ bezeichnet. Jane fand diesen Ausdruck erheiternd altmodisch, verstand jedoch durchaus, was er bedeutete - diese Arbeit konnte man nicht auf Maschinen abwälzen, und daher mußten alle Beteiligten eben schwitzen.
Die Gruppenmitglieder holten sämtliche Teppiche aus den Zelten, klopften hunderte Kilos Staub heraus und rollten sie ordentlich zusammen. Sie ließen die Luft aus dem Bubblepak ab und rollte auch dieses zusammen. Peter, Martha und Rick machten sich energisch daran, die Masten abzubauen - was für die Zuschauer jedesmal eine nervenaufreibende Angelegenheit war -, während Greg, Carol und Mickey sich um die Instrumente und den Windgenerator kümmerten.
Dann mußten noch die Wigwams und Jurten abgebaut, zusammengelegt und verpackt werden, die Geräte mußten abgeschaltet, von Kabeln befreit und verstaut werden. Und dann stand noch ein Lagerfeuer an, die letzte große Mahlzeit im Camp und das rituelle Bad… Jane legte sich mächtig ins Zeug. Sie fühlte sich gut nach dem einen Tag Pause, sie fühlte sich hellwach und stark. Sie hatte Lust auf Arbeit, sie würde ihr Pensum mit angespannter, nervöser Energie angehen, und wenn sie fertig war, würde sie mit einem zufriedenen Gefühl im Truppenbus schlafen, der übers nächtliche Land fuhr.
Sie schleppte gebündelte Zeltstangen zu einem der Laster, als sie Alex vorbeischlurfen sah.
Zunächst hätte sie ihren Bruder fast nicht erkannt; eine seltsame, gebeugte, gnomenhafte Gestalt, die eher einem Kriegsgefangenen glich als einem Truppenbewerber. Er trug einen schmutzigen Papieranzug und einen großen Sombrero aus Papier und Karton und hatte sich eine große weiße Atemmaske über Nase und Mund gestreift.
Er hatte eine große Grabhacke dabei. Sie hatte noch nie jemanden eine Hacke mit weniger Begeisterung tragen sehen - Alex trug sie unbeholfen in Höhe des Oberschenkels, mit gestreckten Armen, als wäre sie eine Art Hantel.
Er stapfte langsam aus dem Lager hinaus. Jane rief ihm hinterher und winkte, dann trabte sie ihm nach, bis sie ihn unmittelbar hinter einem der Begrenzungspfosten eingeholt hatte.
»Was ist denn mit dir?« murmelte er.
»Wollte bloß mal sehen, wie's dir geht«, sagte sie. Sie blickte in seine hellen, blinzelnden Augen. »Würd's dir was ausmachen, die Maske mal für einen Moment abzunehmen?«
Alex zog unbeholfen die Maske nach unten. Von den dünnen, elastischen Haltebändern der Maske waren auf seinen geröteten Wangen vier schmale Streifen bleicher Haut übriggeblieben. »Ellen Mae möchte, daß ich eine Wurzel ausgrabe.«
»Ach.« Jane fand, Alex wirke wacklig auf den Beinen, und sie war sich ziemlich sicher, daß er noch nie im Leben eine Hacke angerührt hatte. »Bist du für die Art Arbeit denn schon fit? Du bist gerade erst aus dem Krankenhaus gekommen.«
»Ich werd mich nicht anstrengen«, erklärte er geduldig. »Das ist doch bloß so ein Beschäftigungsscheiß. Ellen Mae will mich aus dem Weg haben, damit mir die großen Sendemasten nicht auf den Kopf fallen.«
»Kommst du gut mit Ellen Mae aus?«
»Ich komme schon klar.« Alex seufzte. »Deine Leute haben schon was. Irgendwie erinnern sie mich an Yoruba-Leute, die ich mal kannte, auf einem Rancho außerhalb von Matamoros. So 'ne Art Überlebenskünstler waren das. Die hatten Bunker, weißte, und Sicherheitssysteme und so Zeug… Allerdings waren
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