Schwere Wetter
Körperwärme. Es war eine kalte Frühlingsnacht auf den High Plains, und die Busse waren gut besetzt.
Alex hatte kein Gewehr. Irgendwie war er auch froh darüber, daß die Truppe nicht mehr Gewehre ausgeteilt hatte. Seiner Erfahrung nach wurden auffällige soziale Minderheiten mit vielen Schußwaffen leicht von nervösen Sondereinsatzkommandos zerrieben, denen die Kugeln locker saßen. Daher hatte er keine Waffe. Er hatte sechs verstaubte, nicht mehr funktionsfähig wirkende Leuchtfackeln für den Notfall und eine große Taschenlampe.
Rick hatte ihm heimlich ein Ibogain-Kaugummi zugesteckt, das optimale Einsatzbereitschaft gewährleisten sollte. Alex hatte den Kaugummi noch nicht probiert. Er war noch nicht müde. Außerdem mochte er Ibogain nicht besonders.
Im Kopfhörer knackte es. »Hier Rick. Wie läuft's? Ende.«
»Gut. Ganz behaglich. Ich hab den Sitz zurückgestellt, Ende.«
»Wie hast du das denn gemacht?«
»Ich bin aufgestanden, hab mich in die Fußbügel gestellt und den Bolzen rausgezogen.«
»Das hättest du nicht tun sollen.«
»Rick, hör mir mal zu. Wir beide sind ganz allein hier oben. Niemand hört uns zu. Ich fall schon nicht runter. Eher würde ich von 'nem Gemüsekarren fallen.«
Rick schwieg eine Weile. »Mach bloß keine Dummheiten, okay?« Er schaltete ab.
Alex flog weiter, fast eine Stunde lang. Das machte ihm nichts aus. Eine Stunde mit Sauerstoff war niemals langweilig. Er versuchte, den Sauerstoff zu strecken, indem er nur hin und wieder einen Zug aus der Flasche nahm, wußte jedoch, daß die Flasche leer sein würde, wenn er landete. Anschließend würde er irgendwie neuen Sauerstoff beschaffen müssen.
Er würde damit anfangen müssen, Zeug für die Truppe zu kaufen.
All ihren Reden zum Trotz, war Alex doch klar, daß dies der eigentliche Knackpunkt war. Die gleiche stillschweigende Übereinkunft galt im wesentlichen auch für Juanita. Diese Leute hingen nicht deshalb mit Juanita herum, weil sie sich groß was aus bombastischen Cyber-Art-Diplomen gemacht hätten. Sie mochten Juanita, weil diese Zeug für sie kaufte und sich um ihre zahlreichen Bedürfnisse kümmerte. Juanita war ihre Gönnerin. Und er, Alex, war gerade im Begriff, in ihre Fußstapfen zu treten.
Trotzdem war da noch diese erstaunliche Sache mit Jerry Mulcahey. Am Ende lief bei der Truppe alles auf Mulcahey hinaus, weil jeder Trouper, der den Typ nicht fürchtete, liebte und verehrte, schnellstens den Laufpaß gekriegt hätte. Alex war sich über Mulcaheys wirkliche Motive noch nicht recht im klaren. Mulcahey war ein wahrhaft undurchsichtiger Typ. Alex hatte sich Mulcahey genau angeschaut, und in zweierlei Hinsicht meinte er sich sicher zu sein: (A) Mulcahey verfügte über irgendeine geniale Begabung, und (B), Mulcahey hatte keine große Ahnung, was Geld eigentlich bedeutete. Wenn er und Juanita gemeinsam in Erscheinung traten, dann behandelte Mulcahey sie mit geradezu archaischer Höflichkeit; er ließ sie als erste am Lagerfeuer Platz nehmen, er half ihr anschließend auf die Beine, er fing erst nach ihr an zu essen, halt so was. Beide machten kein großes Aufhebens um diese stillschweigenden kleinen Aufmerksamkeiten, aber Mulcahey ließ kaum eine Gelegenheit dazu aus.
Und wenn es zu irgendwelchen Streitereien kam, überließ Mulcahey häufig das Reden Juanita. Während sie dann in Fahrt geriet und sich ereiferte, wurde er abstrakt und reserviert und hörte mit versteinerter Miene zu. Es war fast so, als ließe er seine Emotionen stellvertretend durch sie ausleben. Mit diesem Arrangement schienen sich beide wohl zu fühlen. Hin und wieder führte er unvermittelt einen Satz für sie zu Ende, worauf alle zusammenzuckten.
Mulcahey zeigte die seltsamsten Symptome, wenn Juanita ihn nicht beobachtete. Wenn sie irgendwelche gymnastischen Übungen machte, sich beispielsweise in ihrem dünnen Papieranzug vorbeugte und anschließend streckte, dann bekam Mulcahey auf einmal diesen gierigen Gesichtsausdruck. Als wäre er am Verhungern und sie ein teures Cordon Bleu, und als versuchte er sich wirklich zu beherrschen, könnte sich aber nur mit Mühe davon abhalten, ihr das Tischtuch herunterzureißen und auf allen vieren vom zerbrochenen Porzellan zu essen. Der Ausdruck verlor sich rasch wieder, und Mulcahey setzte sein übliches Pokerface auf, aber der Ausdruck war zweifellos immer noch vorhanden. Mit so was kannte ein Mann sich einfach aus.
Alex war sich nicht sicher, worauf das alles für Juanita hinauslaufen
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